In einer Firma auszuharren und darauf zu hoffen, dass sich die Treue eines Tages auch finanziell auszahlt, ist heute oft die falsche Strategie. Denn immer weniger Unternehmen können den Arbeitsplatz für ihre Beschäftigten auch langfristig garantieren. Auch der traditionelle Karriereweg ? häufiger Stellenwechsel mit immer höherem Gehalt zu Beginn des Berufslebens ? ist nur noch selten möglich. Bei den Mittdreißigern hat sich die Jobinstabilität nahezu verdoppelt. Die Zahl der Berufsstarter, die es theoretisch zum gleichen Wohlstand wie die amerikanische Mittelklasse während der 70er Jahre bringen könnte, ist um 40 Prozent gesunken.
Wie Morris und ihre Kollegen in der als Buch veröffentlichten Untersuchung darlegen, finden immer mehr Arbeitnehmer im Einzelhandel oder in der Dienstleistungsbranche eine Stelle. Sie stagnieren dort bei Niedriglöhnen und geringen Karrierechancen.
Auch ein College-Abschluss bietet keine Gewähr mehr für raschen Gehaltsanstieg: Vom jüngsten Boom der “New Economy” hat, im Gegensatz zu früheren Hochkonjunkturphasen, nur eine Minderheit profitiert, fanden die Forscher heraus. Die Schere zwischen großen und kleineren Einkommen öffnete sich in den 80er und 90er Jahren um bis zu 20 Prozent. Viele ehemalige Topleute müssen sich seit dem Absturz der “New Economy” mit niedrigen Gehältern begnügen.
“Wachsende Ungleichheit scheint das Leitthema der ‘New Economy’ zu sein”, sagt Morris. Geld in eine College-Ausbildung im Bereich Technik oder Kunst zu investieren, zahle sich nicht mehr aus. Der typische Absolvent erhält die gleichen Gehaltserhöhungen wie ein normaler High-School-Abgänger mit Abitur.
Trotz niedriger Löhne sei das Einkommen der Haushalte in den vergangenen Jahren nicht gesunken, da in immer mehr Familien die Frau mitverdiene, so Morris. Zwar konnten die Familien damit ihren Wohlstand erhalten. Dies ging jedoch auf Kosten des Zusammenlebens. “Die Wirtschaft saugt immer mehr Kraft aus den Haushalten, der Stress nimmt zu und es bleibt immer weniger Zeit für Kinder”, sagt die Wissenschaftlerin. Die Forschungsergebnisse zeigten deutlich, dass für Shareholder Value als oberstes Ziel der Wirtschaft ein hoher Preis gezahlt werden müsse.
Für ihre Studie griffen die Forscher auf zwei 1966 und 1979 gestartete nationale Datenerhebungen zurück. Sie verfolgten den Berufsweg von jungen Männern bis zu deren 40. Lebensjahr. Die erste Gruppe der Testpersonen trat in den späten 60er-Jahren ihre erste Stelle an, eine Zeit der Stabilität und des Wirtschaftswachstums in den USA. Die zweite Gruppe startete in den frühen 80er-Jahren in den Beruf, als Deregulierung, Globalisierung und die Machtabnahme der Gewerkschaften die Lage kennzeichneten. Die Wissenschaftler mussten ihre Studie auf die Chancen der männlichen Arbeitnehmer beschränken, da in den 60er-Jahren zuwenig Frauen berufstätig waren, um sie statistisch zu erfassen.