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Sag mir erst, wie alt du bist

Geschichte|Archäologie Gesellschaft|Psychologie

Sag mir erst, wie alt du bist
Bestehen Zweifel über das Alter eines Menschen, bestimmen Gutachter durch Befragungen und Röntgenbilder die Lebensjahre. Doch das Ergebnis ist ungenau. von Susanne Donner Leseprobe aus bild der wissenschaft 10/2016

Ob Sekt oder Selters, ob Schule oder noch ein Jahr Kindergarten, ob Motorrad oder Mofa – das Alter entscheidet oft über das, was erlaubt ist. Es bestimmt, wann die Rente beginnt und welche Spitzensportler bei den Olympischen Spielen teilnehmen dürfen. „Sag mir erst, wie alt du bist!“, lautet ein beliebter Abzählreim bei Kindern und ein Klassiker beim ersten Rendezvous.

Auch eine Fülle von Gesetzen hängt mit dem Alter zusammen. Jugendliche ab 14 Jahren sind strafmündig. Für sie gilt bis zum 18. Lebensjahr das Jugendstrafrecht. Und: Minderjährige Flüchtlinge kommen in die Obhut von Jugendämtern. Ältere Migranten können hingegen abgeschoben werden, wenn ihnen kein Asyl gewährt wird.

Klar ist auch: Körperlich wie seelisch verändert sich einiges mit fortschreitendem Alter. Etwa mikrobiologisch: Die Schutzkappen der Chromosomen, die sogenannten Telomere, bröckeln allmählich ab. Auch wenn das in der Praxis nicht nachgewiesen ist – bis zu einer Altersgrenze von 120 Jahren sind sie aufgezehrt, haben Forscher ausgerechnet. Und je kürzer die Telomere sind, desto schlechter funktioniert die Zellteilung. Im genetischen Code sammeln sich mehr und mehr Schäden an, die auch Krebs begünstigen können. Die Knochen werden spröder, die Haare produzieren weniger Melanin und ergrauen.

Zugleich werden die meisten Menschen mit den Jahren psychisch reifer. Bis zum dritten Lebensjahrzehnt festigt sich im Allgemeinen die Persönlichkeit. Mit Komasaufen und Flatterhaftigkeit ist es vorbei. Viele haben klare Vorstellungen von ihrem Leben entwickelt.

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Wovon die Reife abhängt

Doch erstaunlicherweise ist das Alter in unserem Körper nirgendwo festgeschrieben, ganz anders als bei Bäumen mit ihren Jahresringen. Erbgut und Zellen reagieren viel deutlicher auf chronischen Stress, auf Lebensstil und andere Einflussfaktoren als auf den bloßen Faktor Zeit. Und die Reife eines Menschen hängt mehr von seiner Lebensweise und seiner Persönlichkeit ab als von seinem Alter. Auch die äußere Erscheinung kann in die Irre leiten. Nicht nur Laien liegen bei einer Schätzung oft daneben, sondern auch Mediziner, Psychologen, Pädagogen und Ethnologen.

Alama Makeba ( Name geändert) aus Guinea hat das am eigenen Leib erfahren. Sie floh 2013 aus der Nähe der guineischen Hauptstadt Conakry nach Berlin. Ihr Vater hatte sie gegen ihren Willen mit einem wesentlich älteren Mann verheiratet, obwohl sie bereits ein Kind mit einem Jugendfreund hatte. Auch untersagte der Vater ihr den Kontakt zu Mann und Kind. Sie sei 16 Jahre alt gewesen, als sie in Berlin ankam, erzählt Makeba. Ihre Papiere hätte sie aufgrund des zerrütteten Verhältnisses zu ihrem Vater nicht mitnehmen können. Das Jugendamt bezweifelt jedoch ihr Alter, als Makeba sagt, dass sie ihr Kind mit 13 bekommen habe. Um ihr Alter zu bestimmen, schicken sie die Beamten zur radiologischen Unter­suchung an die Charité.

Drei entscheidende Tests

Die Arbeitsgemeinschaft für Forensische Altersdiagnostik der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin (AGFAD) und ihre über 120 wissenschaftlichen Mitglieder empfehlen zur Altersschätzung eine Kombination von drei Tests: Zunächst soll ein Arzt den Körperbau und die Pubertätsmerkmale, etwa Behaarung oder Brustentwicklung, untersuchen.

Ergibt dieser Check keine eindeutige Diagnose, wird anschließend standardmäßig die linke Hand geröntgt. Ist das Handskelett voll entwickelt, erfolgt zusätzlich ein Computertomogramm der Schlüsselbeinregion. Ein verknöchertes Schlüsselbein deutet auf einen ausgewachsenen Körper hin. Außerdem wird das Gebiss geröntgt, um das Wachstumsstadium der Weisheitszähne festzustellen, die sich oft zwischen dem 18. und 25. ­Lebensjahr ausbilden. Allerdings ist das weltweit recht unterschiedlich. Diese Tests muss auch Alama Makeba absolvieren.

Weiterlesen

Teil I Sag mir erst, wie alt du bist (Sie sind hier)

Teil II Das Alter an den Knochen ablesen

Teil III Von Irrtümern und Fehlurteilen

Teil IV Was die Psyche verrät

Der Beitrag ist in bild der wissenschaft 10/2016 erschienen.

   

  
   Unsere Ausgabe 10/2016 können Sie hier bestellen:

 

               

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