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Zurück in die Zukunft

Geschichte|Archäologie Gesellschaft|Psychologie

Zurück in die Zukunft
Was ist aus dem Archiv der Menschheit in Hallstatt geworden? Leseprobe aus bild der wissenschaft 12/2016

Martin Kunze baut eine Zeitmaschine – mit Keramikfliesen. Im österreichischen Salzkammergut brennt der Keramiker Bilder und Texte auf Tontafeln und lagert sie in einem stillgelegten Teil des Salzbergwerks von Hallstatt ein. Dort sollen die Informationen so gut aufgehoben sein, dass sie mögliche Katastrophen überdauern können. Wer nach Asteroideneinschlag, Supervulkanausbruch und globaler Epidemie in einigen Zehntausend Jahren noch auf der Erde lebt, könnte das Erbe der Menschheit wiederentdecken. bild der wissenschaft berichtete über das Projekt und seinen visionären Initiator in Ausgabe 4/2014 („Das Archiv für die Ewigkeit“).

Inzwischen ist Martin Kunze der Ewigkeit zwei Jahre näher gekommen – und das Archiv „Memory of Mankind“ (MoM) ist um ein Viertel gewachsen. Etwa 500 Tontafeln lagern im Salzstock. MoM erntete Anerkennung von offizieller Seite: Dozenten der Universitäten Wien, Linz, Salzburg und Kalmar unterstützen das Projekt. Die Unesco und die Atomenergiebehörde halten MoM für eine Möglichkeit, künftige Generationen auf atomare Endlager hinzuweisen – Altlasten der Gegenwart, die sonst vergessen werden könnten.

Internet auf Keramikfliesen

Kunzes größte Sorge gilt den digitalen Daten. Während Bücher eine recht hohe Lebensdauer haben, fürchtet er „um einen immer größer werdenden Teil der menschlichen Kultur, wenn der Strom ausfällt“. Deshalb soll MoM nun verstärkt Digitales in Analoges überführen. Sprich: Das Internet wird auf Keramiktafeln kopiert. Damit gelangt eines der modernsten Informationsmedien der Gegenwart auf einen Datenträger, der schon seit 3000 v.Chr. in Gebrauch ist. „Die wichtigsten Blogs, das gesamte Wikipedia und das Wichtigste aus Youtube“ möchte Kunze gern erhalten.

Das Futter fürs Archiv liefert sein Schöpfer nun mit neuer Technologie. Noch vor zwei Jahren ließen sich auf einer Fliese von 20 mal 20 Zentimetern etwa 25 Buchseiten einbrennen. Heute sind etwa 400 Buchseiten je Tafel möglich. Das entspricht 50.000 Zeichen je Fliese. Aber Kunze kann noch kleiner. Seine Experimente mit einem neuen Trägermaterial, einem keramischen Mikrofilm, verliefen erfolgreich. Künftig passen fünf Millionen Zeichen, das entspricht etwa den Büchern der gesamten Harry-Potter-Reihe, auf eine einzige Tafel. Mit bloßem Auge sind die Schriftzeichen nicht erkennbar. Wer auch immer das Erbe der Menschheit in ferner Zukunft entdecken wird – er muss in der Lage sein, die winzige Schrift lesbar zu machen. Eine Brille, eine Lupe oder ein Wassertropfen genügen nicht. Das spielt Kunze in die Karten. Denn das Archiv liegt tief im Berg verborgen, und nur eine zivilisatorisch fortgeschrittene Gesellschaft kann die Zeichen lesen, die dorthin führen. „Eine steinzeitliche Kultur würde mit unseren Errungenschaften auch nicht viel anzufangen wissen“, kommentiert Kunze.

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Neuer Projektzweig: Zeitungsmeldungen

Von Anfang an war MoM ein Sammelsurium von Informationen. Die Tafel mit den Urlaubsfotos eines Ehepaars lehnt an einer Fliese mit einer Dissertation an der Universität Wien. Schon zu Beginn des Projekts wollte Martin Kunze eine subjektive Auswahl vermeiden. „Wir können unmöglich heute entscheiden, was später einmal wichtig ist“, so sein Credo. Dem folgt er mit einem neuen Zweig des Projekts. Er ruft Zeitungen weltweit dazu auf, die wichtigsten Meldungen für das Archiv zur Verfügung zu stellen. Jede Zeitung soll täglich 15.000 Zeichen spenden, die MoM bearbeiten kann. „Wenn die größten Zeitungen aller Länder mitmachen, können wir davon ausgehen, die wichtigsten Informationen für die Zukunft zu erhalten.“ „Textus“ soll dieses Projekt heißen. „Das Praktische daran ist“, sagt Kunze schmunzelnd, „dass wir uns um die Urheberrechte von Texten und Bildern nicht sorgen müssen. Wenn jemand die Tafeln in 10.000 oder 20.000 Jahren findet, sind diese Rechte längst abgelaufen.“

 

   

  
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© wissenschaft.de – Dirk Husemann
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