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Die Weisheit der Vielen im Test

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Die Weisheit der Vielen im Test
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NIcht immer liegt der Publikumsjoker richtig. Wie man trotzdem auf die korrekte Antwort schließen kann, haben US-Forscher herausgefunden (Foto: kasto80/iStock)
Ob bei Volksabstimmungen, dem Publikumsjoker von Spielshows oder wirtschaftlichen Prognosen: Immer häufiger wird heute die Weisheit der Masse als Entscheidungshilfe oder Gradmesser herangezogen. Nicht immer jedoch liegt die Mehrheit tatsächlich richtig oder kennt alle Fakten. US-Forscher haben nun jedoch einen verblüffend einfachen Trick entdeckt, mit dem sich die richtige Antwort auch dann identifizieren lässt, wenn die große Masse irrt.

„Die Annahme, dass die Weisheit der Vielen der eines Einzelnen überlegen ist, ist inzwischen schon selbst zu einer gängigen Massenmeinung geworden“, erklären Drazen Prelec vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge und seine Kollegen. „Das hat sogar schon zu Spekulationen darüber geführt, ob demnächst das Online-Voting die etablierten Experten arbeitslos machen wird.“ Doch die Befragung der Masse hat einen Haken: „Sie liefert nur den kleinsten gemeinsamen Nenner der Informationen und sie versagt bei neuem oder spezialisiertem Wissen, das nicht weit verbreitet ist“, so die Forscher. Typischerweise versucht man dies abzupuffern, indem man beispielsweise zusätzlich zur eigentlichen Frage die Teilnehmer fragt, wie sicher sie sich bei ihrer Antwort sind. Doch auch das kann Fehlentscheidungen und falsche Antworten der Masse nicht verhindern, wie die Wissenschaftler erklären.

Fragt man beispielsweise eine große Menge an Menschen danach, ob Philadelphia die Hauptstadt des US-Bundesstaats Pennsylvania ist, wird die große Mehrheit mit „Ja“ antworten – obwohl die Antwort falsch ist. Die kaum bekannte Stadt Harrisburg ist die echte Hauptstadt. „Die meisten Teilnehmer erinnern sich nur daran, dass Philadelphia eine große, alte Stadt ist und schließen daraus, dass sie die Hauptstadt sein muss“, erklären Prelec und seine Kollegen. Die Minderheit der Teilnehmer, die Bescheid weiß, geht dagegen in der Masse unter. Doch für dieses Problem haben die Forscher nun eine verblüffend simple Lösung gefunden: Zusätzlich zur Frage, die man beantwortet haben möchte, stellt man eine zweite: „Wie glauben Sie, wird die Mehrheit der anderen Teilnehmer diese Frage beantworten?“ Im Falle der Philadelphia-Frage glaubten die irrtümlich mit „Ja“-Antwortenden, dass auch 60 bis 90 Prozent der anderen Teilnehmer diese Antwort geben würden. Ihre beiden Antworten stimmten demnach überein. Anders bei der Minderheit, die wusste, dass Harrisburg die echte Hauptstadt ist: Sie gingen davon aus, dass die meisten anderen Teilnehmer anders als sie selbst falsch antworten würden. Im Endeffekt lag die Erwartung für Philadelphia als Mehrheitsantwort daher höher als die hinterher tatsächlich dafür abgegebenen Stimmen.

Erwartung versus tatsächliche Antworten

Für die Auswertung gilt nun: „Wählen Sie die Antwort aus, die mehr Stimmen bekommt als es die Teilnehmer selbst erwarten“, erklären die Wissenschaftler das Prinzip. Im konkreten Beispiel ist die Antwort „Nein, Philadelphia ist nicht die Hauptstadt“ diese überraschend populäre Antwort – denn selbst diejenigen, die sie gegeben haben, rechneten nicht damit, dass viele andere genauso abstimmen. Dieses Prinzip funktioniert auch im umgekehrten Fall, wie ein weiteres Beispiel aus der Studie illustriert: Die Frage lautete: „Ist Columbia die Hauptstadt von South Carolina?“ Die korrekte Antwort war hier „Ja“ – und die Mehrheit stimmte auch dafür ab. Doch im Gegensatz zum vorhergehenden Beispiel lag die Zahl der tatsächlichen Ja-Stimmen über den von den Teilnehmern geschätzten. Wie die Forscher erklären, ist damit das „Ja“ gegenüber den Schätzungen die „überraschend populäre“ Antwort und damit wahrscheinlich richtig. Im Prinzip ist damit immer die Antwort die wahrscheinlich richtige, die besser abschneidet als in der Erwartung der Teilnehmer.

Um die Treffsicherheit dieses Prinzips zu überprüfen, wendeten die Wissenschaftler es in vier ganz verschiedenen Tests mit jeweils bis zu 50 Teilnehmern an: bei 50 Fragen nach Hauptstädten von US-Bundesstaaten, bei 80 Allgemeinbildungsfragen, bei der Beurteilung von Fotos Hautkrebsverdächtiger Leberflecke und bei der Einschätzung des Werts von modernen Kunstwerken. Das Ergebnis: Gingen sie nur nach der Mehrheit der Antworten, wie für viele solche „Publikumsjoker“ üblich, dann war das Ergebnis 21,3 Prozent häufiger falsch als bei ihrem Auswertungsprinzip der überraschend populären Antwort. „Diese Methode kann daher genutzt werden, um die Wahrheit selbst dort herauszufinden, wo traditionelle Abstimmungsmethoden versagen“, konstatieren die Forscher. Durch die einfache Ergänzung einer Umfrage oder Abstimmung um nur eine weitere Frage könnte daher die Weisheit der Masse treffsicherer gemacht werden.

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Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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