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Das Weltwissen der Kinder und Physiker

Gesellschaft|Psychologie

Das Weltwissen der Kinder und Physiker
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Die beiden Referenten der Leser-Uni im Hörsaal der Universität Hohenheim: die Entwicklungspsychologin Sabina Pauen und der Teilchenphysiker Rolf-Dieter Heuer (Foto: A. Mäder)
Was hält die materielle Welt im Innersten zusammen? Und mit welchem physikalischen Wissen kommen Kinder zur Welt? Darüber sprachen die Psychologin Sabina Pauen und der Physiker Rolf-Dieter Heuer bei der bdw-Leser-Uni in Stuttgart.

Die Leser-Uni am Dienstagabend – gemeinsam veranstaltet von „bild der wissenschaft“ und der „Stuttgarter Zeitung“ – schlug den Bogen von der intuitiven Physik, die schon Babys begreifen, zur modernen Physik, die trotz aller Erläuterungen der Wissenschaftler nicht leicht zu verstehen ist.

Was denken sich die Kleinen?

Die Psychologin Sabina Pauen von der Universität Heidelberg erläuterte, wie sie in ihrem Labor in die Köpfe von Babys schaut. Sie will herausfinden, was ihre jungen Versuchsteilnehmer denken – noch bevor sie sprechen können. Auf ein Experiment kam sie in einem Spielwarenladen, erzählte Pauen. Sie sah dort einen batteriebetriebenen Ball, der sich erratisch bewegt und ein Stofftier mitschleift, das dadurch lebendig wirkt. Im Labor konnte Pauen messen, dass ihre sieben Monate alten Versuchsteilnehmer zunächst Ball und Tier gleichermaßen aufmerksam betrachten. Nachdem sie Ball und Tier in Aktion gesehen haben, interessieren sie sich jedoch stärker für das Tier – vermutlich, weil sie erwarten, dass die Bewegungen vom Tier ausgehen. Schon im Alter von wenigen Monaten scheinen Kinder Lebewesen von leblosen Dingen unterscheiden zu können.

Ein anderer Weg, das Denken der Kinder zu erforschen, liegt in der Langeweile. Wenn man Kinder immer wieder mit denselben Dingen konfrontiert, stumpfen sie sichtlich ab. Man gibt ihnen zum Beispiel eine Reihe von Spielzeugmöbeln in die Hand: einen Stuhl, ein Bett, einen Hocker, einen Tisch, einen Schrank … Erst erkunden die Kinder die Dinge genau, später legen sie sie schnell zur Seite. „Manchmal fliegen uns die Spielsachen auch um den Kopf“, berichtete Pauen. Irgendwann bekommen die Kinder ein andersartiges Spielzeug in die Hand – beispielsweise eine kleine Schildkröte. Erkennen sie, dass es sich um eine neue Kategorie handelt? Sabina Pauen zeigt das Video eines Jungen, der die Schildkröte sofort untersucht und in den Mund steckt. Er hat offenbar begriffen, dass es sich nicht um ein weiteres langweiliges Möbelstück handelt.

Manches scheinen die Kinder schon von Geburt an zu wissen, alles Weitere lernen sie bald, berichtete Pauen. Sie rät Eltern, auf den natürlichen Entdeckergeist ihrer Kleinen zu setzen. Es müssten keine ausgefeilten Spielzeuge sein, denn schon eine Küche biete viele Anregungen. Am besten nehme man sich Zeit für die Kinder und achte darauf, wofür sie sich interessieren – so die Empfehlung der Psychologin. ( Hier geht es zu unserem Dossier über Forschung mit Kleinkindern. )

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Was wissen wir über die kleinsten Teilchen?

Von Familien sprach auch Rolf-Dieter Heuer, Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft und davor Generaldirektor des Forschungszentrums Cern. In seine Amtszeit fiel 2012 der Nachweis des lange gesuchten Higgs-Teilchens. Doch Heuer bleibt auch knapp fünf Jahre nach der Entdeckung vorsichtig: Man habe sicher ein Higgs-Teilchen gefunden, sagte er bei der Leser-Uni – nur welches? Es könne auch Geschwister haben, die zwar zu einer Familie gehören, aber sich doch unterscheiden.

Mit dem großen Teilchenbeschleuniger LHC am Cern hofft Heuer in den nächsten Jahren das Higgs-Teilchen genauer zu untersuchen. Vielleicht öffnet das Instrument sogar die Tür zu einer neuen Physik, auf die Heuer und seine Kollegen warten. Schließlich machen sich im Universum große Mengen Materie durch ihre Schwerkraft bemerkbar, ohne dass man wüsste, woraus diese Materie besteht. Sie wird folgerichtig vorerst Dunkle Materie genannt. (Über die Entwicklung des Teilchenmodells der Physiker berichtet der bdw-Redakteur Rüdiger Vaas in diesem Text . Und hier geht es zu einem kürzeren Stück über den Nobelpreis zum Higgs-Teilchen .)

Um ein Higgs-Teilchen nachzuweisen, lassen die Physiker im LHC Protonen im Kreis fliegen. Die Teilchen sind in Pakete gepackt: jeweils hundert Milliarden in einer dünnen Wolke, die etwa die Ausmaße einer Stricknadel hat. Im Abstand von einigen Metern fliegen diese Nadeln in zwei Rohren: einmal im Uhrzeigersinn und einmal in Gegenrichtung. Ihre Energie ist erheblich: Sie würde ausreichen, um eine Tonne Kupfer zu schmelzen. „Wenn also etwas mit dem Teilchenstrahl schief geht“, sagte Heuer, „wird als erstes der Generaldirektor entlassen. Und dann benötigt man einige Jahre, um die Instrumente zu reparieren.“ ( In einer Bildergalerie geben wir Einblicke in den Teilchenbeschleuniger. )

In riesigen Detektoren, die mit hundert Millionen Sensoren bestückt sind, um die Flugbahnen der Bruchstücke zu verfolgen, kollidieren die Protonenpakete und bilden ein Plasma, wie es in den ersten Sekundenbruchteilen nach dem Urknall herrschte. Wenn dabei ein Higgs-Teilchen entsteht, zerfällt es rasch in zwei Photonen, die genau vermessen werden. Photonenpaare können zwar auch bei vielen anderen physikalischen Prozessen entstehen, aber die Photonen aus dem Higgs-Teilchen haben eine charakteristische Signatur. Man braucht allerdings sehr viele Nachweise, um eine zuverlässige Statistik zu erstellen. Das Higgs-Teilchen offenbart sich im Schaubild nur als kleiner Huckel auf einer ansonsten glatt geschwungenen Kurve.

Am Cern laufe aber auch ein erfolgreiches soziologisches Experiment, sagte Rolf-Dieter Heuer. Tausende Physiker aus aller Welt müssen dort zusammenarbeiten. Aus seiner Sicht leisten sie einen großen Beitrag zur Völkerverständigung.

© wissenschaft.de – Alexander Mäder
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