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Stradivari endgültig vom Sockel geschubst

Geschichte|Archäologie Gesellschaft|Psychologie

Stradivari endgültig vom Sockel geschubst
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Soloist Ilya Kaler testet eine Geige. Credit: Image courtesy of Stefan Avalos.
Sie gelten als die großen Diven unter den Geigen: Der brillante Klang der über 300 Jahre alten Instrumente des italienischen Geigenbaumeisters Antonio Giacomo Stradivari sei unübertroffen, heißt es. Doch ist das wirklich so? Bereits 2012 kratzte das Ergebnis einer Studie am Mythos der Wunder-Instrumente. Ein detaillierter Vergleichstest der gleichen Forschergruppe scheint die Stradivari nun endgültig vom Thron zu stoßen: Renommierte Violinisten konnten nach ausgiebigen Blindtests mit unterschiedlichen Instrumenten nicht sagen, ob sie auf einer Stradivari oder einer modernen Geige gefiedelt hatten. Bei Beurteilungen gaben sie den neuen Instrumenten sogar eher den Vorzug.

Stradivari-Geigen sind legendär, das spiegelt sich auch in ihrem Wert wieder: Bei Versteigerungen erzielen die Instrumente Preise in Millionenhöhe, denn nur 550 sind erhalten – jede der kostbaren Violinen trägt ihren eigenen Namen. Bereits einige Studien haben sich mit der Frage befasst, warum Stradivari-Geigen ihren angeblich so besonderen Klang besitzen. Das ungewöhnliche Holz, spezielle Fertigungsmethoden und sogar Holzwürmer wurde schon für den Klang verantwortlich gemacht.

Doch die Forscher um Claudia Fritz von der Universität Paris wollten mit ihren Untersuchungen erst einmal die Grundlage des Stradivari-Mythos ergründen: Inwieweit übertrifft denn das Schluchzen der Stradivari den Klang moderner Geigen? 2012 hatten sie dazu bereits einen Blindtest mit Musikern durchgeführt, der zu einem ernüchternden Ergebnis führte: Im Vergleich zu modernen Geigen schnitten die Stradivaris bei der Beurteilung ihrer Klangqualität eher schlecht ab. Doch dieser Test bot den Forschern zufolge Kritikpunkte: Er umfasste insgesamt nur sechs Geigen, hatte in einem Hotelzimmer stattgefunden und die Musiker hatten nur eine Minute auf jedem Testinstrument gespielt.

Der neuen Studie haben Claudia Fritz und ihre Kollegen nun einen deutlich größeren Rahmen gegeben: Zehn renommierte Geigen-Solisten hatten sich bereiterklärt, sechs alte italienische Geigen und sechs moderne Geigen jeweils 75 Minuten lang zu spielen. Sie trugen dabei lichtdichte Brillen, um zu verhindern, dass sie die Instrumente am Aussehen identifizieren konnten. Ein Test fand in einem musikalischen Proberaum statt und ein zweiter in einem großen Konzertsaal. Die Künstler wurden anschließend gefragt, welche der Geigen sie statt ihrer eigenen auf eine hypothetische Konzerttour mitnehmen würden.

Nur der Name ist klangvoller

Ergebnis: Sechs der zehn Solisten entschieden sich für eines der neuen Instrumente. Als meist gewählte Lieblings-Geige stach dabei eine der modernen Violinen heraus. Wäre der Klang der Stradivaris tatsächlich unübertroffen, wäre dieses Ergebnis nicht möglich gewesen, sagen die Forscher. Die Frage, ob es sich bei dem jeweils von ihnen gespielten Instrument um eine neue oder alte Geige handelte, beantworteten die Experten sogar schlechter als es dem Zufall entsprechen würde, berichten Fritz und ihre Kollegen.

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Sogar renommierte Violinisten können also eine Stradivari nicht am Klang erkennen, so das Fazit. Offenbar scheint nur der Klang des Namens Stradivari den Instrumenten ihr angebliches Timbre zu verleihen. Wer auf einer Geige mit höchstmöglicher Klangqualität spielen möchte, muss demnach nicht Millionen für eine der antiken Violinen hinblättern. Denn den Ergebnissen zufolge können auch moderne Geigenbauer Meister-Instrumente hervorbringen.

Originalarbeit der Forscher:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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