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Das Dorf in der Großstadt

Geschichte|Archäologie Gesellschaft|Psychologie

Das Dorf in der Großstadt
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Soziale Netzwerke in der Stadt - in Manchem verblüffend dörflich (thinkstock)
Großstädte sind hektisch, voll und anonym, oft kennen wir dort nicht einmal unsere nächsten Nachbarn im Haus. Das wirkt sich auch auf unsere sozialen Kontakte aus. Wie, hat jetzt ein internationales Forscherteam erstmals in großem Maßstab mit Hilfe von Telefonverbindungsdaten untersucht. Ihr überraschendes Ergebnis: Zwar sind die Freundeskreise bei Großstädtern größer und die Kontakte per Telefon häufiger. Aber die Struktur und Enge der sozialen Netze ähnelt noch immer denen auf dem Dorf: Wer ihm angehört, ist Teil eines engen, verwobenen Netzwerks – von Anonymität oder Unverbindlichkeit keine Spur.

Mit dem Wachsen der Großstädte leben immer mehr Menschen auf engem Raum miteinander. Als Folge kommt jeder Einzelnen mit mehr Menschen in Kontakt, begegnet aber auch unzähligen Unbekannten und unbekannt bleibenden. Wie sich dies auf Sozialleben und Psyche auswirkt, dazu gibt es bereits zahlreiche Studien. Die klassischen Methoden der Befragungen sind allerdings zu aufwändig, um beispielsweise die Struktur und Größe von Freundes- oder Bekanntenkreisen in größerem Maßstab vergleichen zu können, wie Markus Schläpfer vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge und seine Kollegen erklären. Abhilfe schafft hier die moderne Telekommunikation: Über Internet- und Mobilfunkdaten, aber auch das Festnetztelefon lässt sich heute sehr viel besser nachvollziehen, wer wie oft mit wem spricht und wen kontaktiert.

Mobilfunk-Daten als Netzwerk-Anzeiger

Um herauszufinden, wie das Leben in der Großstadt oder auf dem Dorf Kommunikationsverhalten und soziale Netze beeinflusst, haben Schläpfer und seine Kollegen 15 Monate lang Mobilfunkdaten des gesamten portugiesischen Handynetzes ausgewertet. Aus diesen Millionen von Verbindungsdaten erstellten sie ein Interaktions-Netzwerk, aus dem sich die Größe und Struktur einzelner Bekanntenkreise rekonstruieren ließ. „Zwar sind solche Mobilfunkdaten nicht notwendigerweise ein genaues Abbild der tatsächlichen sozialen Netzwerke“, betonen die Forscher. So können zwei enge Freunde sich häufig treffen und direkt miteinander reden, aber nur wenig telefonieren. Dennoch haben vergangene Studien gezeigt, dass mobile Daten trotz solcher Abweichungen die individuellen sozialen Interaktionen recht gut repräsentieren, so die Wissenschaftler. Auf ähnliche Weise analysierten die Forscher zusätzlich auch einen Monat lang Festnetzgespräche in ganz Großbritannien.

Das erste Resultat der Analysen: Je größer die Stadt, in der ein Mensch lebt, desto mehr telefonische Kontakte hat er und desto häufiger telefoniert er auch. „Ein durchschnittlicher Bewohner von Lissabon hat rund doppelt so viele erwiderte Kontakte wie ein Bewohner von Lixa, einer ländlichen Kleinstadt“, so die Forscher. Mit jeder Verdoppelung der Einwohnerzahl einer Stadt steigt die Zahl der Handykontakte dabei um rund zwölf Prozent pro Person. Dies sei das erste Mal, dass dieser Zusammenhang so klar und in diesem großen Maße nachgewiesen wurde.

So eng wie auf dem Dorf

Doch die Auswertungen zeigten noch etwas Unerwartetes: Obwohl die sozialen Netze bei Großstadtbewohnern größer sind als auf dem Land, sind sie deshalb nicht weniger eng und verwoben. Weil in größeren Städten die Möglichkeiten Kontakte zu knüpfen besser sind und auch die Auswahl an Menschen höher, würde man erwarten, dass sich die Personen im Bekanntenkreis eines Stadtbewohners nicht unbedingt auch alle gegenseitig kennen. „Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei seiner Kontakte auch unabhängig von ihm miteinander bekannt sind, müsste geringer sein“, so die Forscher. Doch erstaunlicherweise war dies nicht der Fall: In der Großstadt gab es genauso viele Querverbindungen in den sozialen Netzen wie auf dem Land.

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„Das deutet darauf hin, dass wir selbst in Großstädten in Gruppen leben, die so eng geknüpft sind wie diejenigen in Kleinstädten oder Dörfern“, konstatieren Schläpfer und seine Kollegen. Der Unterschied besteht nur darin, dass die Gemeinschaften in Dörfern oft durch die räumliche Nähe bedingt sind und man es sich nicht immer aussuchen kann, mit wem man dort engen Kontakt hat oder haben muss. In der Großstadt dagegen haben wir mehr Auswahl und suchen uns oft Gleichgesinnte für unseren Bekanntenkreis – Menschen mit ähnlichen Interessen, ähnlichem Beruf, ähnlicher Herkunft oder Ansicht.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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