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„Wissenschaft wird von Menschen gemacht“

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„Wissenschaft wird von Menschen gemacht“
Verstehen wir eigentlich, wer Wissenschaftler und Forscher wie Heisenberg und Co. sind? Viele halten sie nur für maschinenähnliche Stellschrauben in einem überkomplexen Wissenschaftsgetriebe. Das sind sie aber ganz sicher nicht. Nein. Sie sind die kreativen Anarchisten, die unsere Gesellschaft so dringend braucht. Ein Kommentar von Ernst Peter Fischer

„Wissenschaft wird von Menschen gemacht.“ Mit diesem schlichten Satz beginnt die Autobiographie von Werner Heisenberg. Sie erschien 1969 und wird, wie seine übrigen Schriften, leider kaum zur Kenntnis genommen. Anders als die antisemitischen Texte seines Zeitgenossen Martin Heidegger. An dieser Tatsache krankt die deutsche Kultur. Weil sie mehr Heisenberg und weniger Heidegger (und noch weniger Habermas) braucht, weil sie eigentlich mehr auf die fantasievolle Kreativität des Physikers und Nobelpreisträgers und weniger auf die aufgedunsene Seinsvergessenheit des Philosophen angewiesen ist. Aber das kümmert die Intellektuellen der Feuilletons nicht. Sie ignorieren weiter die großen Naturforscher, und es bleibt mir ein Rätsel, warum unsere Gesellschaft die Feststellung Heisenbergs weder wahrnimmt noch wahrhaben will.

Für viele ist Wissenschaft eine anonyme Macht, verkörpert durch Institute und Einrichtungen. Dort sind in den Augen der Philosophen austauschbare Angestellte am Werk, die mit der maschinellen Logik der Forschung zu Werke gehen und so letztlich die Welt entzaubern. Oder anders gesagt: Sie produzieren Langeweile. So kommt es, dass sich Philosophen und Soziologen, nachdem sie ausgiebig über die Macht der Naturwissenschaften geklagt haben, wichtigeren Themen zuwenden können. Etwa der Frage, wie sich „metaphysische und geschichtsphilosophische Motive in sozialwissenschaftliche Rekonstruktionen“ transformieren lassen – so jüngst eine Laudatio auf Jürgen Habermas. Und die einflussreichen Intellektuellen, die derart loben, halten das für die zentrale Aufgabe unserer Zeit.

Egal ob Heisenberg, Hummels oder Holbein

Ich sehe das völlig anders. Ich denke, die zentrale Aufgabe unserer Zeit besteht darin, endlich den Satz von Heisenberg ernst zu nehmen und sich um Wissenschaftler so zu kümmern, wie sich unsere Medien um Literaten, Künstler, Fußballer und Quizmaster kümmern, von denen viele im Fernsehen auftreten und eigentlich nichts zu sagen haben. Es gilt, ernst zu nehmen, dass Wissenschaft nicht von Automaten gemacht wird, deren Systematik und Methodik feststehen und die keine besondere Logik benötigen.

Wissenschaft wird von „Freien Radikalen“ gemacht, wie es der britische Wissenschaftsjournalist Michael Brooks in seinem jüngst erschienen Buch mit dem gleichnamigen Titel beschreibt. Also von Menschen, die sich nicht an Regeln halten: „Es ist an der Zeit, die Wissenschaften wieder als die anarchistischen, kreativen und radikalen Anstrengungen zu sehen, die sie immer gewesen sind.“

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Brennende Radikale

Übrigens: Radikale ist ein Fachwort aus der Chemie. Es bezeichnet die Reaktionsbereitschaft von Molekülen, die darauf brennen, Bindungen einzugehen. Wissenschaftler brennen ebenso darauf, Bindungen einzugehen, nämlich mit den Menschen, für die sie all ihre Forschungen unternehmen. Sie wollen verstanden und wahrgenommen werden, nicht als Maschinen, die wie Computer irgendwelche Ergebnisse produzieren, sondern als Menschen, die lieben und leiden, die lügen und loben, die süchtig sind nach der Wahrheit, nach Drogen und nach Ruhm und Anerkennung. Was denn sonst? Wissenschaft wird ja auch von Menschen gemacht.

 

Ernst Peter Fischer

ist Physiker, Biologe und habilitierter Wissenschaftshistoriker. Er hat mehr als 50 Bücher geschrieben – neben Biographien und Firmengeschichten über Themen, die von Atomphysik bis zu Hirnforschung reichen. „Die andere Bildung“  hat eine Auflage von mehr als 100.000 erreicht und ist in zahlreiche Sprachen übersetzt worden. 2014 erscheint sein Buch „Die Verzauberung der Welt“. Darin beschreibt Fischer, wie und warum naturwissenschaftliche Erklärungen die Geheimnisse der Natur nicht aufheben, sondern erst vertiefen.

Vom Autor erschien zuletzt in bild der wissenschaft 4/14 “ Die wilden Sechziger„.   

© wissenschaft.de

Ernst Peter Fischer
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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
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  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

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