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Banker auf dem Prüfstand

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Banker auf dem Prüfstand
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Warum häufen sich vor allem bei Bankern Unehrlichkeit und Skandale? (thinkstock)
In den letzten Jahren gab es allen Grund, Bankern zu misstrauen, denn Skandale in der Finanzbranche gab es reichlich – von riskanten Investments, aufgedeckten Kungeleien bis hin zu systematischer Fehlinformation der Anleger. Aber warum erscheinen Beschäftigte gerade dieser Branche so notorisch unehrlich? Dieser Frage sind drei Schweizer Forscher mit einer ganzen Reihe von Experimenten nachgegangen. Ihr Fazit: Banker sind nicht per se unehrlicher als andere Menschen. Aber die im Bankgeschäft herrschende materialistische Business-Kultur fördert die Unehrlichkeit und verändert dadurch die ethischen Normen der dort Beschäftigten.

Das Vertrauen in die Finanzbranche wurde in den letzten Jahren substanziell erschüttert – der Ruf der Banker ist ziemlich ruiniert. Den Grund für die vielen Fälle von Unehrlichkeit und Manipulation sehen viele in der gewinn- und erfolgsorientierten Geschäftskultur der Branche – doch wissenschaftliche Belege dafür fehlten bisher, wie die Forscher erklären. Ein Grund dafür sind viele Faktoren, die neben der Geschäftskultur das Verhalten der Banker beeinflussen könnten: So ist es denkbar, dass Menschen, die einen Beruf in der Finanzbranche wählen, von Natur aus unehrlicher sind. Es könnte aber auch sein, dass der Umgang mit Geld oder der hohe Konkurrenzdruck unter Bankern den Charakter verderben. Um herauszufinden, welche Faktoren zur Unehrlichkeit von Bankern beitragen, führten Alain Cohn und seine Kollegen von der Universität Zürich eine Reihe von psychologischen Experimenten durch.

Für ihre Studie baten die Forscher zunächst 128 Angestellte einer großen, international tätigen Bank um ihre Mitwirkung in einem Spielexperiment. Die Banker sollten zunächst einen Online-Fragebogen mit sieben Fragen beantworten. Diese zielten bei der Hälfte der Teilnehmer auf berufsbezogene Themen wie beispielsweise den Aufgabenbereich in der Bank. Die anderen Probanden erhielten dagegen Fragen aus anderen Lebensbereichen und wurden beispielsweise nach ihrem abendlichen TV-Konsum gefragt. Der Sinn dahinter: Studien zeigen, dass die ethischen Normen, denen wir folgen, kontextabhängig sein können. Im Berufsleben handeln wir daher unter Umständen anders als im privaten Bereich. Die Beantwortung der Fragebögen sorgte dafür, dass bei einer Hälfte der Banker die Berufs-Persönlichkeit geweckt wurde, bei der anderen nicht.

Schummeln beim Münzenwerfen

Nach dieser Konditionierung begann der eigentliche Test: Alle Teilnehmer sollten Zuhause zehn Mal eine Münze werfen und das jeweilige Ergebnis – Kopf oder Zahl – per Online-Formular angeben. Ihnen wurde vorher mitgeteilt, dass sie für jeden Wurf der Zahl eine Belohnung von 20 US-Dollar erhalten würden – vorausgesetzt ihre Quote wäre höher als die eines fiktiven Vorgängerversuchs. „Damit gab es für die Teilnehmer einen beträchtlichen Anreiz zu betrügen, indem sie die Ergebnisse ihrer Münzwürfe fälschten“, erklären Cohn und seine Kollegen. Ob geschummelt wurde und wie stark, ermittelten die Forscher, indem sie die Ergebnisse mit der durchschnittlichen Verteilung bei solchen Münzwürfen abglichen. Ähnliche Versuche führten sie zudem parallel mit Studenten und Angehörigen anderer Berufsgruppen durch.

Das Ergebnis: Die Bankangestellten, die zuvor per Fragebogen an ihre private Persönlichkeit erinnert worden waren, blieben ehrlich: Ihre Ergebnisse entsprachen dem Durchschnitt. Anders dagegen die Banker, die auf Berufliches konditioniert worden waren: 26 Prozent von ihnen schummelten, wie die Forscher berichten. Ein Teil behauptete, zehn Mal die gewünschte Münzseite geworfen zu haben, andere schönten ihre Ergebnisse nur um ein bis drei Zähler. Interessanterweise mogelten dabei die Bankangestellten am meisten, die als Investment-Manager, Trader oder in einem anderen Kernbereich des Bankgeschäfts arbeiteten. Die Angestellten, die in der Kundenbetreuung oder im Risiko-Management tätig waren, blieben dagegen deutlich ehrlicher, wie die Auswertung zeigte.

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Materialismus im Bankgeschäft fördert die Unehrlichkeit

Was aber ist der Grund, warum gerade die Banker aus dem Finanzgeschäft im Berufskontext unehrlicher handeln als andere? Einen entscheidenden Hinweis fanden die Forscher, als sie ihre Teilnehmer nach der Bedeutung materieller Werte fragten. Wie sich zeigte, waren signifikant mehr Banker der Ansicht, dass sozialer Status vor allem von finanziellem Erfolg abhängt, wenn sie im Kernbereich arbeiteten und zuvor an ihre berufliche Persönlichkeit erinnert wurden. „Das stützt die Sorge über den Einfluss materialistischer Werte im Banksektor und spricht dafür, dass sie die Unehrlichkeit fördern“, konstatieren Cohn und seine Kollegen. Konkurrenzdruck, der Umgang mit Geld oder die Vermutung, dass andere Mitspieler auch schummeln würden, erweisen sich dagegen in weiteren Versuchen als nicht signifikante Einflussfaktoren.

Nach Ansicht der Forscher sprechen ihre Ergebnisse dafür, dass es tatsächlich die in der Finanzbranche herrschende Geschäfts-Kultur ist, die das unehrliche Verhalten so vieler Banker fördert. Das aber bedeutet, dass die Banken dies ändern können, indem sie die Werte und ethischen Vorgaben für ihre Angestellten ändern. Ein Vorschlag dazu: Bankangestellte könnten einen Berufseid ablegen ähnlich dem hippokratischen Eid der Ärzte oder ethische Schulungen erhalten. „Die Herausforderung besteht nun darin, eine Kultur von der Spitze her zu etablieren, die den Leuten sagt, dass es Dinge gibt, die sie nicht tun sollten, selbst wenn sie legal und profitabel sind und ihr Chef sie niemals dabei erwischen würde“, zitieren sie dazu Lord Adair Turner, den Vorsitzenden der Financial Services Authority in Großbritannien.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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