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Zur Schau gestellter Reichtum fördert Ungleichheit

Geschichte|Archäologie Gesellschaft|Psychologie

Zur Schau gestellter Reichtum fördert Ungleichheit
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Sind Ungleichheiten sichtbar, hemmt dies die Kooperation und mindert sogar den Gesamtwohlstand der Gesellschaft (Fuse/ thinkstock)
Die Schere zwischen arm und reich klafft bei uns und in anderen Ländern immer weiter auf. Wie sich diese soziale Ungleichheit für die Kooperation und das wirtschaftliche Wohlergehen einer Gesellschaft auswirkt, haben US-Forscher nun in einem Experiment untersucht – mit überraschenden Ergebnissen. Denn nicht die Ungleichheit per se ist das Entscheidende, sondern vielmehr deren Sichtbarkeit: Stellen die Wohlhabenden ihren Reichtum zur Schau, verstärkt sich die Kluft zwischen arm und reich und auch der Wohlstand der gesamten Gesellschaft nimmt ab.

In einer idealen Gesellschaft würde es allen gleich gut gehen, jeder hätte alles, was er zum Leben benötigt. Doch diese hehren Ideale funktionieren in der Praxis so gut wie nirgendwo – weder weltweit noch auf Ebene einzelner Gemeinschaften. Wie solche Ungleichheiten entstehen und welche Rolle dafür das Wissen um den Wohlstand der Anderen spielt, haben Akihiro Nishi von der Yale University in New Haven und seine Kollegen nun mit Hilfe eines Spielexperiments mit insgesamt 1.762 Teilnehmern untersucht.

Die Forscher teilten die Probanden dafür in Gruppen zu rund 17 Mitgliedern ein und konfrontierten sie mit einem speziell entwickelten sozialen Netzwerk. In diesem war jeder Mitspieler anfangs mit durchschnittlich fünf „Freunden“ verbunden. In jedem Durchgang sollte er entscheiden, ob er freiwillig auf 50 Geldeinheiten verzichtet, damit im Kooperationsfalle alle Beteiligten des Netzwerks 100 Einheiten Bonus bekommen. Er hatte aber auch die Wahl, die Runde auszusetzen und behielt dann nur sein eigenes Geld. Nach jeder Entscheidung sah jeder Mitspieler, wie sich die anderen in der Gruppe entschieden hatten und konnte nun bis zu drei Freundes-Verknüpfungen lösen oder neue knüpfen. Das gesamte Experiment ließen die Forscher in vier Varianten durchspielen: Mit gleichen Anfangsbedingungen für alle oder einer bereits bestehenden finanziellen Ungleichheit sowie mit Offenlegung des individuellen Wohlstands und ohne.

„Korrodierender Effekt“

Das Ergebnis war erstaunlich: „Die Gleichheit oder Ungleichheit allein hat einen relativ geringen Effekt auf die Kooperation, die Verbindungen und den Wohlstand der gesamten Gruppe“, berichten Nishi und seine Kollegen. Entscheidend wirkte sich dagegen aus, ob die Mitspieler den Wohlstand der anderen sehen konnten oder nicht. Die Sichtbarkeit hatte einen geradezu korrodierenden Effekt auf die Labor-Gesellschaften: Die Kooperationsbereitschaft sank, die Vernetzung nahm ab, weil mehr Verbindungen gekappt als neu geknüpft wurden und der Gesamtwohlstand der Gruppe reduzierte sich ebenfalls. Interessanterweise waren die treibenden Akteure hinter dieser Entwicklung vor allem die Reichen: Diejenigen, die anfangs schon reicher als ihre Umgebung waren, entschieden sich häufiger dafür, auszusteigen statt zu kooperieren, wie die Forscher berichten. Als Reaktion kooperierten die Ärmeren vor allem untereinander und schlossen sich enger zusammen, was die Spaltung der Mini-Gesellschaft noch verstärkte.

„Unser Experiment zeigt, dass die Sichtbarkeit des Wohlstands und der sozialen Unterschiede eine wichtige soziale Kraft ist“, konstatieren Nishi und seine Kollegen. „Sie wirkt sich negativ auf Wohlstand und Gleichheit aus, aber auch auf die soziale Struktur und Kooperation.“ Übertragen auf unsere Gesellschaft könnte dies bedeuten, dass nicht die Ungleichheit per se die Schere zwischen arm und reich immer weiter aufklaffen lässt, sondern vor allem die Tatsache, dass die sozialen Unterschiede so stark sichtbar sind. Der Grund dahinter ist wahrscheinlich psychologisch, wie die Forscher spekulieren: „Die Sichtbarkeit könnte die Beteiligten dazu bringen, das Ganze als Wettbewerb zu sehen, zu denken, dass ihr Wohlstand die soziale Position signalisiert. Es könnte aber auch die Angst dahinterstecken, Letzter zu sein“, mutmaßen sie. „All dies aber kann die Kooperation verringern.“ Zwar sei dies nun ein Laborversuch, aber die hier beobachteten Prozesse könnten darauf hindeuten, dass es auch im wirklichen Leben für die Gesellschaft förderlicher sein könnte, wenn die Reichen ihren Reichtum weniger zur Schau tragen und Unterschiede weniger stark sichtbar gemacht werden.

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Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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