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Fairness ist nicht des Affen Sache

Geschichte|Archäologie Gesellschaft|Psychologie

Fairness ist nicht des Affen Sache
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Schimpansen fühlen sich vermutlich nicht benachteiligt, wenn Artgenossen nicht mit ihnen teilen. Foto: Thomas Butler/pixelio.de
Die Wissenschaft schrieb dem Menschen lange Zeit einige Alleinstellungsmerkmale im Vergleich zu anderen Arten zu ? im Kern ging es dabei meist um höhere Intelligenz, die sich im Einsatz von Werkzeugen oder vorausschauenden Handlungen äußert. In den vergangenen Jahren haben mehrere Studien jedoch gezeigt, dass der Mensch auf fast keinem Gebiet einzigartig ist, auch nicht im sozialen Verhalten. Ein deutsch-britisches Forscherteam liefert nun wieder einen Hinweis auf eine einzigartige Eigenschaft: das Empfinden sozialer Gerechtigkeit.

Menschlichen Nachwuchs macht Geben seliger denn Nehmen. Schon im Kleinkindalter teilt der Mensch freigiebig mit anderen ? und ist dabei glücklicher, als wenn mit ihm geteilt wird. Bei aller Gemeinsamkeit scheinen Affen sich in dieser Hinsicht vom Menschen zu unterscheiden: Versuche habe ergeben, dass Primaten in Futterfragen keine Fairness kennen ? ohne dass Artgenossen das krumm nehmen.

Um eine Studie über Schimpansen ( Pan troglodytes) zu verifizieren, untersuchten Biologen um Ingrid Kaiser von der Universität Heidelberg das Verhalten von fünf der Primaten und fünf ihrer friedliebenden Verwandten, den Bonobos ( Pan paniscus) mit einer Variante des Ultimatumspiels. Dieses Spielt wird von Wirtschafts- und Verhaltensforschern eingesetzt, um Altruismus beziehungsweise Egoismus zu studieren. In der Standard-Variante bekommt ein Spieler eine bestimmte Menge eines Guts zur Verfügung gestellt. Er kann selbst entscheiden, ob und wie viel davon er einem Mitspieler abgeben möchte. Dieser Mitspieler wiederum kann die Aufteilung des Guts akzeptieren oder ablehnen. Lehnt er sie ab, gehen beide leer aus. Verschiedene Studien haben ergeben, dass Angebote, bei dem der zweite Spieler weniger als 30 Prozent bekommt, als unfair empfunden und häufig abgelehnt werden.

Nicht so bei Affen: Die Wissenschaftler legten jeweils zehn Trauben auf einen Papierstreifen ? fünf an jedes Ende. Ein Affe konnte jeweils diesen Streifen zu sich herziehen, und zwar so, dass mehr oder weniger Trauben für einen Artgenossen übrig blieben. Dieser wiederum konnte mit Hilfe eines Schiebers bestimmen, ob er die Aufteilung akzeptiert oder ob keiner der Primaten Trauben bekommt. Das Verhalten des zweiten Affen zeige, ob er sich ungerecht behandelt fühlt oder nicht, sagen die Verhaltensforscher.

Genügsame Primaten

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Im Schnitt zogen sowohl Schimpansen als auch Bonobos zu 72 Prozent am Papier, um ihre Traubenanzahl zu vergrößern. Im Vergleich zum Menschen akzeptierte das Gegenüber die Benachteiligung ohne ersichtliche soziale Konsequenzen ? lediglich wenn ein Affe ganz leer ausging, verweigerte er die Kooperation am Schieber, so dass keiner von beiden zu fressen bekam.
Selbst wenn diese Situation eintrat, wurden die Primaten mit der Zeit nicht großzügiger. Die Schlussfolgerung der Forscher: Die Reaktion des Artgenossen spielt keine Rolle. Vielmehr zeigten sich Schimpansen wie Bonobos als ?rationale Maximierer?, die den eigenen Vorteil suchten. In diesem Punkt sehen Ingrid Kaiser und ihre Kollegen einen deutlichen Unterschied zum Menschen. Das Empfinden von Fairness und sozialer Gerechtigkeit habe sich also vermutlich erst nach der evolutionären Trennung der Arten entwickelt.

Das Ergebnis der Studie muss jedoch mit Vorsicht betrachtet werden. Affen reagieren zwar negativ auf Diebe, teilen aber in aller Regel ihr Futter nicht mit Artgenossen. Entsprechend könnte es sein, dass sie eine ungleiche Aufteilung der Trauben gar nicht als ungerecht empfanden.
Eine andere Erklärung könnte nach Ansicht der Wissenschaftler sein, dass die Tiere die Trauben auf dem Papier ? zwischen ihren beiden Käfigen platziert ? gar nicht als ihr Eigentum ansahen, sondern als ?für nur einen zugänglich?. Entsprechend hätte der ?Zuschauer? keinen Grund, sich betrogen zu fühlen, wenn der andere mehr Trauben bekam. In beiden Fällen würden die Tiere ihren Anteil als positive Überraschung werten, selbst wenn er nur zwei der zehn Trauben abbekamen.

Aufgrund dieser Schwäche will das Team eine Methode entwickeln, mit der das Gefühl, unfair behandelt zu werden, bei Affen eindeutiger nachvollziehen lässt.

Ingrid Kaiser (Universität Heidelberg) et al.: Proccedings of the Royal Society, Biology Letter, doi: 10.1098/rsbl.2012.0519 © wissenschaft.de ? Marion Martin
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