Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Kleine Kaiser sind anders

Geschichte|Archäologie Gesellschaft|Psychologie

Kleine Kaiser sind anders
200117416_001.jpg
Credit: Thinkstock
Misstrauisch, wettbewerbsscheu und empfindlich – das sind nur einige der negativen Eigenschaften, die viele Kinder und junge Erwachsene in China heute offenbar charakterisieren. Das jedenfalls attestieren ihnen australische Forscher. Und sie haben auch eine Erklärung dafür: Chinas rigorose Ein-Kind-Politik. Durch sie wuchsen die meisten jungen Chinesen als verhätschelte Einzelkinder auf – als „Kleine Kaiser“.

China drohte am Ende der 1970er Jahre aus allen Nähten zu platzen: Jahrhundertelang hatten Hungersnöte, Naturkatastrophen und Kriege das Bevölkerungswachstum in Grenzen gehalten, doch ab 1949 ermöglichten die verbesserten Lebensbedingungen einen rasanten Zuwachs. Die Milliardengrenze in Sicht, führte die Regierung 1980 dann schließlich die Ein-Kind-Politik ein, um Hungersnöte zu verhindern und den wirtschaftlichen Fortschritt zu sichern.

Zumindest in den Städten war der staatliche Druck erfolgreich und so wachsen bis heute Generationen junger Chinesen heran, die zu einem großen Teil aus Einzelkindern bestehen. Sie tragen den Spitznahmen „Kleine Kaiser“, denn in vielen Fällen stehen sie im Zentrum der Aufmerksamkeit einer ganzen Familie. Die teils stark verwöhnten Einzelkinder besitzen in China bereits einen ausgesprochen schlechten Ruf: Sie sollen oft egozentrisch und unkooperativ sein. Den Forschern zufolge gipfelt das sogar darin, dass in manchen chinesischen Stellenanzeigen Sätze auftauchen wie: „keine Einzelkinder erwünscht“. Den Hintergrund dieser Vorurteile scheinen die Untersuchungen von Lisa Cameron von der Monash University in Clayton und ihren Kollegen nun statistisch zu belegen.

Vergleich der Generationen

Die Forscher führten ihre Untersuchungen mit rund 400 Einwohnern Pekings durch, die entweder vor Einführung der Ein-Kind-Politik, zwischen 1975 und 1978 geboren worden waren, oder danach, zwischen 1980 und 1983. Um Charaktereigenschaften der Probanden zu erfassen, verwendeten sie eine Reihe experimenteller Gruppenspiele. Das Verhalten der Teilnehmer bei diesen Simulationen, die auf dem Austausch oder Investieren von Geld basieren, kann beispielsweise offenbaren, wie vertrauensvoll, risikofreudig oder wettbewerbsbereit sie sind. Zusätzlich führten die Forscher schriftliche Befragungen der Probanden durch, die persönliche Einstellungen offenbaren sollten.

Anzeige

Als die Forscher die Ergebnisse beider Gruppen verglichen, zeigten sich auffallende Unterschiede: Im Durchschnitt waren die Kleinen Kaiser demnach weniger risikobereit, scheuten eher den Wettbewerb und waren misstrauischer. Außerdem attestieren die Forscher ihnen gesteigerten Pessimismus, Nervosität und Empfindlichkeit im Vergleich zu den Studienteilnehmern, die mit Geschwistern aufgewachsen waren.

Die Forscher betonen, dass ihre Studie nur Rückschlüsse über die durchschnittlichen Eigenschaften von Einzelkindern in China zulässt. Frühere Untersuchungen haben allerdings schon darauf hingewiesen, dass eine Kindheit ohne Geschwister generell negative Folgen für die Betroffenen haben kann. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung und der Öffnung dem Westen gegenüber ist in China inzwischen auch die Ein-Kind-Politik in die Kritik geraten. Momentan wird über ein Abschaffung diskutiert. In diesem Zusammenhang liefert die aktuelle Studie nun weitere Argumente: Die Ein-Kind-Politik bringt Generationen hervor, die negative Auswirkungen auf die chinesische Gesellschaft haben könnten, resümieren die Forscher.

Lisa Cameron (Monash University in Clayton) et al.: Science, 10.1126/science.1230221 © wissenschaft.de – Martin Vieweg
Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Dossiers
Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Kom|pass|pflan|ze  〈f. 19; Bot.〉 ein Korbblütler, der seine Blätter nach der Nord–Süd–Richtung stellt: Lactua serriola

Cy|ber|sex  〈[sb(r)–] m.; –; unz.; IT〉 1 〈i. e. S.〉 mithilfe von Spezialgeräten im virtuellen Raum vollzogene sexuelle Handlungen 2 〈i. w. S.〉 mithilfe digitaler Medien (Internet, Handy, CD–ROM usw.) verbreitete Darstellung sexueller Handlungen od. elektronisches Anbieten von sexuellen Handlungen u. sexuellen Dienstleistungen … mehr

af|fi|zie|ren  〈V. t.; hat〉 1 (auf die Sinne) einwirken, erregen 2 〈Med.〉 krankhaft verändern, reizen … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige