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Literarisch gespiegelt

Geschichte|Archäologie Gesellschaft|Psychologie

Literarisch gespiegelt
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Selbst alte Bücher liegen heutzutage in digitalisierter Form vor. Bild: birgitH / pixelio.de.jpg
Ähnlich wie die Entstehung der Tierarten mit Hilfe von Fossilien zurückverfolgt werden kann, wollen US-amerikanische Forscher nun die Entwicklung der menschlichen Kultur rekonstruieren – und zwar anhand von Büchern. Erste Ergebnisse hat dieser ungewöhnliche Ansatz bereits geliefert: Der Wortschatz der englischen Sprache nimmt jährlich um 8.500 Wörter zu, die Technik entwickelt sich seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts explosionsartig, und Freud hat sich stärker in das Gedächtnis der Menschen eingeprägt als Einstein. Gezeigt hat das die Analyse einer digitalen Bibliothek mit insgesamt 5,2 Millionen Büchern. Die Wissenschaftler tauften das Projekt “culturomics” – in Anlehnung an den Begriff “genomics”. Denn ähnlich wie die Genomik alle Gene erforscht, wird “culturomics” in Zukunft die Geschichte der Kultur des Menschen zusammenpuzzeln, schreiben die Forscher um Jean-Baptiste Michel von der Harvard University in Cambridge.

Der Suchmaschinenriese Google digitalisiert seit Jahren die Bücher dieser Welt: Mittlerweile sind über 15 Millionen eingescannt – etwa zwölf Prozent aller Bücher, die jemals gedruckt wurden. Davon haben die Wissenschaftler um Michel in Zusammenarbeit mit Forschern von Google und dem Lexikon Encyclopaedia Britannica nun 5,2 Millionen durchforstet, was mehr als 500 Milliarden Wörter. Die Bücher stammten aus dem Bestand von 40 Universitätsbibliotheken, und 72 Prozent der Texte waren auf Englisch, die restlichen entweder auf Französisch, Spanisch, Deutsch, Chinesisch, Russisch oder Hebräisch. Ziel des Mammutprojekts war es, einen Einblick in das kollektive Gedächtnis der Menschen, die Entwicklung der Sprache und den Fortschritt der Technik zu bekommen.

Die ältesten Bücher stammten aus dem 16. Jahrhundert. Während zu dieser Zeit nur wenige Werke pro Jahr geschrieben wurden, sind von Jahr zu Jahr immer mehr Bücher dazugekommen: Allein im Jahr 2000 wurden so viele Bücher gedruckt, dass man mit einer Lesegeschwindigkeit von 200 Wörtern pro Minute acht Jahre bräuchte, um alle zu lesen – vorausgesetzt man macht keine Pausen, um zu essen oder zu schlafen.

Jährlich erweitert sich die englische Sprache um 8.500 Wörter, entdeckten die Wissenschaftler. Allein in den Jahren zwischen 1950 und 2000 ist der englische Wortschatz um 70 Prozent gewachsen. Außerdem schließen sie aus der Häufigkeit der Erwähnung, dass Galileo, Darwin und Einstein wichtige Persönlichkeiten waren. Am stärksten ins kollektive Bewusstsein eingeprägt hat sich jedoch Sigmund Freud. Heutzutage genießen erfolgreiche Menschen mehr Ruhm als jemals zuvor, entdeckten die Wissenschaftler außerdem. Sie geraten jedoch auch schneller in Vergessenheit als früher. Außerdem zeigte sich, dass die bekanntesten Schauspieler bereits mit 30 Jahren berühmt geworden sind, während die beliebtesten Schriftsteller erst mit 40 Popularität erreichten. Noch länger brauchen Politiker, um den Höhepunkt ihrer Karriere zu erklimmen: Sie werden meist erst mit über 50 bekannt.

Bereits seit den 1950er Jahren sind Wissenschaftler daran interessiert, die Entwicklung der Kultur des Menschen mit rechnerischen Methoden zu rekonstruieren. Doch bisher seien die quantitativen Untersuchungen an fehlenden Daten gescheitert, sagen die Wissenschaftler um Jean-Baptiste Michel. Sie sind jedoch überzeugt, dass sich das jetzt mit dem Beginn der “culturomics” ändern wird.

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Jean-Baptiste Michel (Harvard University in Cambridge) et al.: Science, doi:10.1126/science.1199644 dadp/wissenschaft.de ? Peggy Freede
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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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