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Wie die Software den Menschen erobert

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Wie die Software den Menschen erobert
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Genießen volle Aufmerksamkeit: Handy, Smartphone, Laptop (Foto: Fuse/Thinkstock)
1975 war Bill Gates 20 Jahre alt. In diesem Jahr veröffentlichte er eine kleine Schrift mit dem Titel „Software Notes“. Darin machte er seine Mitmenschen unmissverständlich darauf aufmerksam, dass nicht nur die Hardware, die Geräte, sondern auch die Software, also die Programme, eine Ware darstellen, die zu bezahlen ist – und zwar nicht zu knapp. Von da an wurde die Software nicht mehr zusammen mit den Geräten geliefert, wie es bis dahin üblich war. Jetzt musste man sie kaufen – zum Beispiel von der Firma Microsoft, die Bill Gates mit Paul Allen im selben Jahr gegründet hatten. Die Welt der Computer hatte sich endgültig geändert.

Ich gehöre noch zu der Generation von Leuten, die Reiseschreibmaschinen benutzten und sich mit Tipp-Ex abmühten, um Fehler zu korrigieren. Meine Diplomarbeit fertigte ich in den frühen 1970er-Jahren mit einer herkömmlichen Schreibmaschine an – unter der ständigen Angst, dass ich mich vertippe, vor allem in den letzten Zeilen einer Seite. Als ich mich dann mit der Doktorarbeit befasste, benutzte ich für die Niederschrift eine Kugelkopfschreibmaschine der Firma IBM und war davon überzeugt: Eine Steigerung in Sachen Bequemlichkeit und Sicherheit beim Schreiben kann es nicht geben.

Das war bald nach 1975. Da war längst Microsoft gegründet. Die ersten Schreibprogramme mit Namen wie „Wordstar“ lieferte zwar noch nicht die Gates-Firma aus – sie kamen um 1977 auf den Markt -, aber es dauerte nicht mehr lange, bis „Word for Windows“ die Welt eroberte und dem Schreiben ganz neue Möglichkeiten eröffnete. Keine Angst mehr vorm Vertippen, kein Geschmiere mehr beim Tipp-Ex-Pinseln, ungeahnte Möglichkeiten der Schriftwahl und der Formatierung. Enorm hilfreich war etwa auch die automatische Rechtschreibkorrektur. Wobei ich mich erst nach und nach an die roten Wellenlinien unter falsch geschriebenen Wörtern gewöhnen musste. Inzwischen vermisse ich sie sogar, wenn ich etwas mit der Hand schreibe.

Persönlichkeit des Jahres: der Computer

1975 prägen aber nicht allein Bill Gates und seine Software-Firma. 1975 bringt IBM den ersten tragbaren Computer heraus, den IBM 500, der 25 Kilogramm wiegt. Das Palo Alto Research Center, das die Firma Xerox eingerichtet hat und finanziert, stellt ein erstes Graphical User Interface (GUI) vor, mit deren Hilfe später die Mausklicks möglich werden. Im folgenden Jahr gründen Steve Jobs und Steve Wozniak das Unternehmen Apple Computer, das 1980 an die Börse geht.

In der Zeit bereitet Gates das MS-DOS-Betriebssystem vor, das 1981 auf den Markt kommt. Im Jahr darauf kommt das Wort „Internet“ in allgemeinen Gebrauch, und das Magazin TIME wählt 1982 tatsächlich den Computer zur „Persönlichkeit des Jahres“, worüber man sich bis heute wundern kann.

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Der Computer als Persönlichkeit? In den 1970er Jahren gab es neben den genannten praktischen Fortschritten auch viele Überlegungen der philosophischen Art zur wachsenden künstlichen Intelligenz. Eine damals gestellte und heute beantwortete Frage lautete, ob es einmal einen Computer – also eine geeignete Software – geben wird, die in der Lage ist, einen Schachweltmeister zu besiegen. Bekanntlich ist dies IBM mit einer Maschine namens Deep Blue noch vor dem Ende des 20. Jahrhunderts gelungen. Eben dazu lohnt ein weiterer Blick in die 1970er-Jahre. Als Microsoft und Apple in unser Leben einzogen, erörterten einige Denker die Frage, ob eine programmierte Maschine einen Schachweltmeister besiegen kann wie folgt: Es werde eines Tages gelingen, aber dabei würde es nicht bleiben. Sie waren überdies der Ansicht, dass eine Software, die Weltmeister im Schach wird, sich über ihren Sieg freuen und überhaupt Gefühle entwickeln und zeigen kann.

Mensch erfreut Maschine, Maschine freut sich nicht wie Mensch

Diese Voraussage hat sich bislang noch nicht erfüllt. Selbst als IBM einen Computer namens Watson präsentierte, der die knifflige Show „Jeopardy!“ als Sieger verließ und damit demonstrierte, dass er gigantische Datenmengen nicht nur abrufen, sondern auch clever verknüpfen kann, kam bei der Maschine keine Feierstimmung auf. Sie verlangte weder nach Urlaub noch nach Champagner und ließ sich stattdessen einfach abschalten, soweit bekannt ist.

Also – wo hören sie denn auf, die Möglichkeiten der Software? Wo zeigen sich die Grenzen der Maschinen? Freuen sie sich über uns, wie wir uns über sie freuen? Klar ist, dass sie Menschen in ihren Bann gezogen haben, wie jeder sehen kann, der durch eine beliebige Innenstadt flaniert und die Passanten mehr auf ihr Smartphone als in die Gesichter ihrer Begleiter blicken sieht. Offenbar erwidern die Maschinen die Gefühle ihrer Anwender nicht. Merken die Nutzer nicht, dass sie dabei etwas von ihrer Freiheit abgeben, und zwar sehr bereitwillig?

Wie hat Erich Kästner geschrieben: „Die Freiheit, da ist keine Not./ Wohin man schaut, schlägt sie wer tot./ Doch wie die Freizeit totzuschlagen,/ muss man den Leuten eigens sagen.“ Diese Aufgabe übernimmt nun eine Software. Und die Leute glucksen vor Freude, wenn die Software ihre Gefühle lenkt.

© wissenschaft.de – Ernst Peter Fischer
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