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Neonicotinoide als Bienen-Verhütungsmittel

Erde|Umwelt

Neonicotinoide als Bienen-Verhütungsmittel
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Werden Drohnen mit pestizidverseuchtem Pollen gefüttert, sinkt ihre Fruchtbarkeit (Foto: ElementalImaging/iStock)
Pestizide stören nicht nur die Orientierung von Hummeln und Honigbienen – einigen von ihnen wirken offenbar auch wie ein Verhütungsmittel. Werden Bienenvölker mit Pollen gefüttert, der feldtypische Gehalte von Neonicotinoiden enthält, wirkt sich dies negativ auf die Drohnen aus: Sie sterben teilweise noch vor der Geschlechtsreife und ihre Spermien sind weniger lebensfähig. Dadurch aber kann die Bienenkönigin später weniger Nachkommen produzieren – und der Stock schrumpft.

Insektizide aus der Klasse der Neonicotinoide sind hoch umstritten. Einerseits sind sie beliebte Mittel, um Nutzpflanzen gegen Schadinsekten wie Blattläuse zu schützen und werden oft prophylaktisch eingesetzt. Andererseits aber mehren sich die Hinweise darauf, dass diese vermeintlich Bienen-ungefährlichen Insektizide sehr wohl gravierende Auswirkungen auf Gesundheit und Verhalten von Honigbienen, Hummeln und anderen Wildbienen haben. Demnach stört das Nervengift die Orientierung der Bienen und könnte dazu beitragen, sie anfälliger für Krankheiten und Parasiten zu machen. Zudem deuten Studien daraufhin, dass die Neonicotinoide im Gehirn der Bienen wie eine Droge wirken könnten – sie animieren die Insekten dazu, bevorzugt mit Pestiziden verseuchten Nektar zu trinken. 2013 zog die Europäische Union die Konsequenz aus solchen Daten und schränkte den Einsatz der drei Neonicotinoide lothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam in der EU stark ein. Erlaubt ist die Anwendung aber noch bei Wintergetreide und nicht blühenden Pflanzen. Auch andere Insektizide aus dieser Substanzgruppe sind noch zugelassen.

Bienen-Drohnen im Test

Vor diesem Hintergrund haben nun Lars Straub von der Universität Bern und seine Kollegen erstmals untersucht, ob und wie Neonicotinoide die Fruchtbarkeit von Bienenmännchen beeinflussen. Typischerweise paart sich eine Bienenkönigin auf ihrem kurzen Jungfernflug mit mehreren Drohnen. Deren Spermien lagert sie in speziellen Speicherorganen ein und befruchtet damit alle von ihr im Rest ihres Lebens gelegten Eier.  „Deshalb hat jeder Einfluss auf die Spermienqualität tiefgreifende Auswirkungen auf die Fitness der Bienenkönigin und der gesamten Kolonie“, erklären die Forscher. Für ihre Studie fütterten sie die Bewohner von zehn Bienenstöcken mit sauberem Pollen, die Bienen in zehn weiteren Stöcken aber mit Pollen, der die Neonicotinoide Clothianidin und Thiomethoxam enthielt. Die Konzentrationen von 1,5 und 4,5 parts per billion (ppb) entsprachen dabei denen, die im Freiland bei Pflanzenpollen häufig gefunden werden, wie Straub und seine Kollegen erklären. Sie fingen die jeweils ersten 60 in den Kolonien schlüpfenden Drohnen ab, um sie gesondert zu untersuchen. Dabei prüften die Forscher sowohl die Zahl der Spermien in der Samenflüssigkeit der Drohne als auch die Lebensfähigkeit und Lebensdauer der Spermien.

Wie sich zeigte, wirkten sich die Neonicotinoide gleich mehrfach negativ auf die Drohnen und ihre Fortpflanzungsfähigkeit aus. Zum einen starben die mit den Pestizid-Pollen aufgezogenen Drohnen früher. Ihre Mortalität lag mit 32 Prozent nahezu doppelt so hoch wie bei den Kontrolltieren, wie die Forscher berichten. Dadurch lebten viele der Bienenmännchen gar nicht lange genug, um die volle Geschlechtsreife zu erreichen. „Rund ein Drittel unserer Drohnen hätte daher nie die Chance erhalten, sich mit einer Königin zu paaren“, so Straub und seine Kollegen. Zum anderen war auch die Spermienqualität der Drohnen durch die Pestizide beeinträchtigt: Ihre Spermien waren weniger aktiv und überlebten kürzer als die von pestizidfreien Artgenossen. „Dadurch reduziert sich die Zahl der befruchtungsfähigen Spermien bei diesen Drohnen signifikant“, erklären die Forscher. Für die Fortpflanzung der Honigbienen und das Überleben eines Bienenstocks aber könne das gravierende Konsequenzen haben: Weil eine Bienenkönigin bei ihrer Paarung einen Lebensvorrat an Spermien „tankt“, ist deren lange Überlebensdauer besonders wichtig für den Fortpflanzungserfolg.

„Damit liefern wir den ersten Beleg dafür, dass Neonicotinoide die reproduktive Kapazität männlicher Insekten beeinträchtigen“, konstatiert Straub. Der weitverbreitete Einsatz dieser Pestizide könnte – bislang unerkannt – wie ein Verhütungsmittel für Bienen gewirkt haben. Wenn der Königin jedoch deshalb die Spermien ausgehen, fehlt es dem Bienenstock an Arbeiterinnen-Nachwuchs. Soll die Kolonie überleben, muss sie sie dann durch eine neue, junge Königin ersetzen – das jedoch ist aufwändig und nur zu bestimmten Zeiten im Jahr möglich. Nach Ansicht von Straub und seinen Kollegen könnten Neonicotinoide daher auch auf diesem Wege – über die männliche Fruchtbarkeit – am Bienensterben beteiligt sein.

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Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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