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Mehr selbst-Mitgefühl durch virtuelle Realität

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Mehr selbst-Mitgefühl durch virtuelle Realität
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Credit: Mr Aitor Rovira (UCL)
Manche Menschen blicken übertrieben streng auf sich selbst, mit traurigen Folgen: Ihr mangelndes Mitgefühl mit der eigenen Person und harsche Selbstkritik können zu Depressionen führen. Nun berichten Forscher von einem ungewöhnlichen Ansatz, diesen Menschen zu helfen: In virtuellen Welten können sie lernen, mehr Mitgefühl mit sich selbst zu entwickeln und übertriebene Selbstkritik einzudämmen. Computergenerierte Stellvertreter – Avatare – ermöglichen es ihnen dabei, verständnisvoll auf das eigene kindliche Ich zu blicken.

Computerwelten, in denen man sich als Avatar bewegt, haben sich bereits als interessante Möglichkeit erwiesen, psychische Probleme zu behandeln. Die starke Identifikation mit dem virtuellen Ich kann beispielsweise den ersten Schritt darstellen, sich Angstsituationen zu stellen: In der Computerwelt traut man sich möglicherweise erstmals, eine Spinne anzufassen oder mit schrecklichen Erfahrungen umzugehen. Dies kann auch die Reaktionen von Phobikern oder traumatisierten Personen in der realen Welt verbessern. Die Forscher um Caroline Falconer vom University College London (UCL) haben nun ein System entwickelt, welches gezielt den Blick auf das eigene Ich positiv verändern soll.

Ein weinendes Kind in der Computer-Welt

An der Studie der Forscher nahmen 43 gesunde, aber besonders selbstkritisch veranlagte Frauen teil. Dies stellten die Forscher durch gängige psychologische Tests fest. Um sich in die virtuelle Welt zu versetzen, benutzten die Teilnehmerinnen bei den Experimenten ein System aus Körpersensoren und einer 3D-Brille. So wurden ihre Bewegungen direkt auf den eignen Avatar übertragen, den sie aus der Ich-Perspektive durch die Brille in der virtuellen Welt wahrnehmen konnten. Zusätzlich sahen sie sich in einem virtuellen Spiegel (Bild Teil A). So entstand die starke Illusion der eigenen Präsenz in der computergenerierten Welt. Die Forscher konfrontierten die Frauen nun mit einem virtuellen weinenden Kind, das ihnen gegenüber auf einem Stuhl saß (Bild Teil B). Die Probandinnen sollten ihm Mitgefühl vermitteln, mit ihm sprechen und es trösten. Das Kind zeigte daraufhin positive Reaktionen.

Nun folgte ein Rollentausch: 22 Teilnehmerinnen wurden in die virtuelle Person des Kindes versetzt. Aus dieser Perspektive sahen sie nun ihren eignen Avatar von zuvor, wie er gestikulierte und beruhigend auf das Kind – nun ihr zweites Ich – einredete (Bild Teil C). Die anderen 21 Frauen betrachteten hingegen die Situation aus der Perspektive einer dritten Person – sie blickten also seitlich auf ihren eigenen Avatar und das Kind (Bild Teil D).

Probandinnen erkennen das eigene Kind-Ich

Anschließende Untersuchungen des psychischen Zustandes und der Empfindungen der Frauen nach und während der Experimente belegten: Diejenigen, die durch das System in die Rolle des Kindes versetzt worden waren, hatten ihr Mitgefühl mit sich selbst gestärkt und selbstkritische Empfindungen reduziert. Dadurch fühlten sie sich wohler und sicherer, sagen die Forscher. Die Frauen, die nur aus der dritten Perspektive auf das virtuelle Geschehen geblickt hatten, berichteten hingegen von deutlich geringeren Effekten. „Wir sind begeistert von dem vielversprechenden Ergebnis dieser Versuche“, sagt Co-Autor Chris Brewin vom UCL.

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Die Forscher wollen die Wirkung ihres Systems nun in weiteren Untersuchungen testen: Sie möchten herausfinden, ob auch Männer in der beobachteten Weise reagieren, welche Effekte bei depressiven Menschen auftreten und wie lange positive Wirkungen anhalten. Aus dem Konzept könnten sich letztlich Therapieformen bei psychischen Problemen entwickeln, die mit einem gestörten Selbstwertgefühl zu tun haben, hoffen die Forscher. Entsprechende Behandlungen könnten Betroffene dann kostengünstig und zuhause selbst durchführen. Mit der Technik von Computerspielen sei dies bereits vergleichsweise einfach möglich.

Originalarbeit der Forscher:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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