Viele europäische Zugvögel überwintern in Zentral- oder sogar Südafrika und müssen daher auf ihrem Flug ins Winterquartier und zurück die Sahara überqueren. Bisher nahmen viele Biologe an, dass gerade kleine Sperlingsvögel (Passerines) diese Tour nur mit Pausen schaffen. „Einige Beobachtungen von größeren Vogelgruppen, die tagsüber in der Wüste Schutz vor der Hitze suchten, stützten diese Annahme eines unterbrochenen Fluges“, erklären Janne Ouwehand und Christaan Both von der Universität Groningen. Man nahm an, dass die Sperlingsvögel tagsüber rasten und in der Nachtkühle etappenweise weiterfliegen. Allerdings widerspricht dies Studien mit GPS-Sensoren an Sperlingsvögeln, die beispielsweise den Atlantik überqueren. So legt der in Nordamerika heimische Streifenwaldsänger (Setophaga striata) dabei in mehreren Tagen Nonstopflugs mehr als 2500 Kilometer zurück. „Angesichts dieser bemerkenswerten Flüge wäre es eher überraschend, wenn es nicht auch Zugvögel gäbe, die nonstop über die Sahara fliegen“, so die Forscher.
Für ihre Studie statteten die Biologen 80 Trauerschnäpper (Ficedula hypoleuca) mit winzigen Sensoren aus, die sowohl GPS-Daten als auch Helligkeitswerte registrierten. Die Vögel besaßen ihr Brutgebiet in den Niederlanden bei Drenthe und überwinterten im Osten Guineas und im Westen der Elfenbeinküste – und damit südlich der Sahara. Nach ihren Hin- und Rückflugen gelang es den Biologen, 27 dieser Trauerschnäpper mitsamt ihren Sensoren wiederzufinden und die Flugdaten auszuwerten.
Gut zwei Tage Nonstop-Flug
Und tatsächlich: Die Sensordaten sprechen dafür, dass die kleinen Sperlingsvögel die große Wüste größtenteils ohne Rast überflogen. „Die längsten ununterbrochenen Flugzeiten lagen zwischen 40 und 61 Stunden“, berichten Ouwehand und Both. „Bei einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 15 Metern pro Sekunde könnten die Trauerschnäpper in dieser Zeit 2200 bis 3350 Kilometer zurücklegen.“ Obwohl Trauerschnäpper normalerweise vornehmlich nachts fliegen, scheinen sie demnach bei ihrer Wüstenüberquerung eine Ausnahme zu machen und Tag und Nacht durchzufliegen. Für diese Nonstopflüge spricht nach Angaben der Forscher zudem, dass die Trauerschnäpper bisher kaum tagsüber in der Nähe von Oasen gesichtet wurden und sich vor Flugbeginn üppige Fettdepots als Energiereserven anfressen. „Unsere Daten sprechen dafür, dass die Trauerschnäpper aus unserem Brutgebiet normalerweise Nonstop über die Sahara fliegen“, sagen die Biologen. „Das widerspricht der gängigen Ansicht, dass Sperlingsvögel diese Wüstenquerung generell nur mit Pausen bewältigen.“
Die GPS-Daten zeigten zudem, dass die kleinen Singvögel im Frühling und Herbst jeweils eine unterschiedliche Route wählen: Im Frühjahr starten die Trauerschnäpper aus ihren Winterquartieren rund 500 Kilometer südlich der Wüste und überqueren die Sahara in nahezu gerader Linie. „Sie fliegen dabei in großer Höhe, um die kühlen Anti-Passatwinde auszunutzen“, erklären Ouwehand und Both. Anders dagegen im Herbst: Auf ihrem Weg nach Süden wählen die Vögel dabei offenbar eine weiter westlich liegende Route. Diese führt sie erst von den Niederlanden an die Westküste der Iberischen Halbinsel und dann weiter über den küstennahen Atlantik, statt über die heiße Sahara. „Dies wird durch Beobachtungen gestützt, nach denen die Trauerschnäpper im Herbst eine der Hauptbeute für Eleonorenfalken auf den Kanarischen Inseln sind“, berichten die Forscher.