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Rabiater Paarungstrick

Erde|Umwelt

Rabiater Paarungstrick
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Eine Winkerkrabbe (Uca mjoebergi) wirbt durch SCherenwinken um das Weibchen (Foto: Tanya Detto/ Pat Backwell)
Bei den australischen Bananen-Winkerkrabben (Uca mjoebergi) herrscht Damenwahl: Die wählerischen Weibchen entscheiden, mit wem sie sich paaren. Doch einige Männchen nutzen einen rabiaten Trick, um die Angebetete zur Paarung zu drängen, wie Forscher beobachtet haben: Sie gehen nicht zuerst in die eigens gebaute Bruthöhle, wie sonst üblich, sondern lassen ihr den Vortritt. Geht ein Weibchen in die Falle, hindern sie diese dann solange am Wiederherauskrabbeln, bis sie nachgibt und in die Paarung einwilligt.

Winkerkrabben sind auch bei uns für ihre großen, oft bunten Scheren und ihr eigentümliches Balzverhalten bekannt. Dafür graben die Männchen zunächst eine Bruthöhle in den Sand, dann stellen sie sich davor und beginnen, mit einer ihrer Scheren rhythmisch auf und ab zu winken. Die Krabbenweibchen auf Partnersuche kommen vorbei und begutachten zunächst ausführlich Körperbau, Scherengröße und Qualität des Winkers. Dabei sind sie enorm wählerisch: „Ein Weibchen kann bis zu 20 Männchen begutachten, bis es einen Partner auswählt“, berichten Christina Painting von der Australian National University in Canberra und ihre Kollegen. „Entsprechend hoch ist der Konkurrenzdruck unter den männlichen Bewerbern.“ Hat ein Krabbenweibchen dann ihre Wahl getroffen, nähert sie sich dem Höhleneingang. Das Männchen geht daraufhin zuerst in die Höhle und sie folgt ihm, um ihre zukünftige Behausung genau zu inspizieren. „Weil die Weibchen nach der Paarung in der Höhle bleiben um ihre Eier auszubrüten, ist es für sie wichtig, dass sie eine Höhle auswählen, die für ihren Nachwuchs günstige Bedingungen bietet“, erklärt die Biologin. Erst wenn alles passt, kommt es in der Höhle zur Paarung.

Doch bei ihren Beobachtungen der Winkerkrabben-Balz fiel den Forschern etwas Seltsames auf: Einige Männchen gingen nicht voran in die Höhle, sondern traten stattdessen beiseite, um der Dame den Vortritt zu lassen. Durch stetiges Weiterwinken versuchten sie anschließend, das Krabbenweibchen zum Eintritt in ihre Höhle zu bewegen. Allerdings meist vergeblich: Fast zwei Drittel der Weibchen weigern sich und gehen stattdessen zum nächsten Bewerber weiter. Geht der Mann voraus, folgen immerhin 70 Prozent in die Höhle, wie Beobachtungen der Biologen zeigten. „Wir haben uns daher gefragt: Warum verringern diese Männchen freiwillig ihre Chance auf eine Paarung?“, so Painting und ihre Kollegen. „Denn eine Inspektion der Höhle ist die Voraussetzung dafür.“ Normalerweise hält sich ein Verhalten nur dann länger in einer Population, wenn es gewisse Vorteile bringt. Würden die beiseitetretenden Männchen daher einfach immer nur den Kürzeren ziehen, müsste diese Strategie längst ausgestorben sein. Doch das ist offensichtlich nicht der Fall. Es muss daher einen versteckten Vorteil geben, der die Paarungschancen irgendwie wieder ausgleicht, so die Vermutung der Forscher.

Unterirdische Nötigung

Um herauszufinden, was der Vorteil dieser ungewöhnlichen Strategie ist, legten sich die Biologen auf die Lauer: Zwei Balzperioden hindurch beobachteten sie, wie sich bestimmte Krabbenmännchen verhielten, welche Balzstrategie sie nutzten und wie viele Weibchen sie dadurch für sich gewannen und zur Paarung und Eiablage brachten.  Dabei stießen sie auf eine vielsagende Diskrepanz: Die Weibchen, die vor einem Männchen in die Höhle gingen, blieben dreimal häufiger darin und paarten sich mit dem Krabbenmännchen. Während im Normalfall nur rund 50 Prozent der Weibchen die Höhle und damit das Männchen akzeptabel finden, waren es hier fast 80 Prozent, wie Painting und ihre Kollegen berichten. Ihrer Ansicht nach spricht dies dafür, dass die Paarung nicht ganz freiwillig geschieht, wenn das Männchen hinter dem Weibchen in die Höhle geht: Es nutzt seine Position aus, um die Partnerin gefangen zu halten.  „Es scheint so, dass die Männchen die in der Höhe gefangenen Weibchen nicht wieder gehen lassen, bis diese nachgeben und dem Männchen die Paarung gestatten“, schildern die Forscher das Szenario. „Das bedeutet, dass die Krabbenweibchen zur Paarung genötigt werden, obwohl sie diesen Partner unter normalen Umständen wahrscheinlich abgelehnt hätten.“

Der Vorteil für die Krabbenmännchen liegt auf der Hand: „Durch dieses Verhalten können sich auch Bewerber mit eher geringer Begabung für das Graben eine Partnerin sichern“, erklären die Biologen. Doch es stellt sich die Frage, warum die ansonsten so wählerischen Krabbendamen eine solche Nötigung riskieren. „Warum betreten einige von ihnen vor einem Männchen die Höhle, wenn die Gefahr besteht, dass sie dort von einem ungeeigneten Bewerber gefangen und genötigt werden?“, fragen die Forscher. Zwar weigert sich die große Mehrheit der Krabbenweibchen tatsächlich, die Höhle vor ihrem Bewerber zu betreten, aber eine Quote von rund 40 Prozent ist noch immer ziemlich hoch. Naheliegend wäre, dass vor allem junge, unerfahrene Krabbenweibchen in diese Falle tappen. Doch dies ist nicht der Fall: Auch größere, ältere Krabbendamen ließen sich „überreden“, vor dem Bewerber in die Bruthöhle zu gehen, wie Painting und ihre Kollegen beobachteten. Unklar bleibt auch, warum die gefangenen Krabbendamen dem Drängen des Bewerbers überhaupt nachgeben. Denn eine Vergewaltigung ist bei diesen Krebsen schlicht unmöglich – eine Kopulation klappt nur, wenn das Weibchen freiwillig ihren Panzer über dem Paarungsorgan öffnet. Irgendeinen Vorteil muss es daher auch für das in die Falle gegangene Weibchen haben. Welcher das ist, bleibt jedoch vorerst ihr Geheimnis.

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Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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