Schwämme haben sich als ein unverwüstliches Erfolgsmodell der Evolutionsgeschichte erwiesen: Sie gehören zu den ältesten mehrzelligen Organismen und haben mehrere Massenaussterben im Verlauf der Erdgeschichte überlebt. Heute besiedeln Schwämme nahezu jeden Lebensraum im Meer – von den flachen Küstenmeeren der Tropen, über die Finsternis der Tiefsee, bis hin zu den eisigen Gewässer der polaren Breiten. Aussehen und Merkmale der unterschiedlichen Arten reichen dabei vom altbekannten Badeschwamm bis zu den bizarr geformten Glasschwämmen.
Wer haust im Lebensraum Schwamm?
Ein internationales Forscherteam hat der bunten Vielfalt dieser Wesen nun eine spezielle Studie gewidmet. Ihr Fokus lag dabei auf dem Schwamm als Lebensraum für Mikroben. In jahrelanger Arbeit haben die Forscher über 800 Proben von Schwämmen aus dem Pazifik, dem Atlantik, dem Indischen Ozean, dem Mittelmeer und dem Roten Meer gesammelt und zunächst katalogisiert. Anschließend führten sie sogenannte Hochdurchsatz-Sequenzierungen durch: Anhand spezieller genetischer Information wurden die in den Schwämmen enthaltenen Arten von Mikroben bestimmt.
Die Ergebnisse offenbarten eine überraschende Vielfalt: „Wir haben weltweit 40.000 verschiedene Arten von Mikroorganismen in Schwämmen entdeckt“, sagt Co-Autorin Ute Hentschel Humeida vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Den Rekord hält ein einzelner Schwamm, der 12.000 verschiedene Arten von Mikroorganismen beherbergte. Es gab auch noch eine weitere Überraschung: Insgesamt zeigten die Schwämme ein recht einheitliches Mikrobenmuster: „Egal ob Tiefsee oder Küste, Tropen oder Polarmeer – die Mikrobenvorkommen ähnelten sich in allen Schwämmen und waren unabhängig vom Sammlungsort“, sagt Hentschel Humeida. Dieser Befund weist den Forschern zufolge auf die lange gemeinsame Entwicklungsgeschichte von Schwämmen und Mikroben hin.
Vielfalt mit Potenzial
Bei einigen dieser Mikroorganismen handelt es sich um Partner der Schwämme: Sie haben im Laufe von Jahrmillionen Kooperationen – Symbiosen – mit anderen Organismen entwickelt. Da Schwämme sesshafte Tiere sind, können sie nicht vor Fressfeinden fliehen oder verhindern, dass sie von Biofilmen überwachsen werden. Bestimmte Mikroben helfen ihnen deshalb bei der Bekämpfung von Krankheiten oder der Abwehr von Fraßfeinden. „Das ist ganz ähnlich wie bei uns Menschen. Auch in unserem Organismus unterstützen Mikroben die Verdauung oder regulieren das Immunsystem“, sagt Hentschel Humeida.
Den Forschern zufolge sind die Ergebnisse zur hohen Mikrobenvielfalt in Schwämmen nicht nur aus biologischer Sicht interessant: Spezielle Wirkstoffe aus Lebewesen bildeten in der Vergangenheit bereits vielfach die Grundlage für die Entwicklung von Medikamenten und kommerziell nutzbaren Substanzen. „Schwämme sind eine wahre Schatzkammer der Natur und wir fangen erst an, sie zu verstehen“, so Hentschel Humeida.