Die Biologen haben in zwölf abgelegenen Wiesenstücken über 600 Pflanzen markiert. Die Hälfte der Wiesen ließen die Forscher anschließend unbehelligt. Auf den sechs anderen Wiesen statteten sie hingegen den markierten Pflanzen wöchentliche Besuche ab. Die Forscher berührten bei der Visite die Gewächse vorsichtig von der Wurzel bis zur Pflanzenspitze.
Die Pflanzen reagierten recht unterschiedlich. Am wenigsten mochte seine Gäste offenbar der „Hanfartige Hundswürger“ (Apocynum cannabium). Er wurde nach den Besuchen von Insekten befallen und verlor einen Großteil seiner Blätter. Das Hohe Fingerkraut (Potentilla recta) und das Gemeine Leinkraut (Linaria vulgaris) waren hingegen angetan von der menschlichen Gemeinschaft und gediehen prächtig.
Vielen Pflanzen schienen die Streicheleien jedoch glattweg egal zu sein. Dazu gehörten etwa die Acker-Kratzdiestel oder das Wiesenrispengras.
Über den Grund der unterschiedlichen Reaktionen können die Forscher nur spekulieren. So wurde durch die Berührungen möglicherweise das Pflanzengewebe beschädigt oder die Gewächse gaben nach dem Kontakt Substanzen ab, die pflanzenfressende Insekten angelockt haben. Vielleicht haben die Forscher aber auch schlicht das Gras neben den besuchten Pflanzen nieder getrampelt: Dadurch erhielten die Gewächse zwar mehr Licht, wurden jedoch gleichzeitig für Fressfeinde leichter erkennbar.
Cahill vermutet aufgrund seiner Studie, dass viele Lehrbuch-Meinungen über Pflanzen fehlerhaft sind. Die meisten Botaniker werden bei ihren
Experimenten nicht berücksichtigt haben, dass allein schon die Anwesenheit von Menschen die untersuchten Pflanzen verändert. Das könnte die Ergebnisse der Experimente verfälscht haben.
Andreas Wawrzinek