Der etwa 25 Zentimeter große Elefantenrüsselfisch (Gnathonemus petersii) lebt in vielen Fließgewässern Westafrikas und jagt dort Insektenlarven. Zur Orientierung nutzt er seine Augen, aber auch eine raffinierte Fähigkeit zur aktiven Elektroortung. Durch ein spezielles Organ im Schwanz gibt er elektrische Impulse ab, die ein Feld um seinen Körper erzeugen. Durch Sinnesorgane am Kopf, Bauch und Rücken kann der Elefantenrüsselfisch Änderungen dieses elektrischen Feldes wahrnehmen, die durch Strukturen und Lebewesen in seiner Umgebung verursacht werden. „Es handelt sich um eine aktive Elektroortung, prinzipiell ähnlich wie die aktive Echoortung von Fledermäusen, die mit Ultraschall ein dreidimensionales Bild ihrer Umgebung wahrnehmen“, sagt Gerhard von der Emde von der Universität Bonn.
Elektrosinn raffiniert integriert
Er und seine Kollegen haben nun herausgefunden, wie erstaunlich hochentwickelt die Sinnesverarbeitung der Elefantenrüsselfische bezüglich Seh- und Elektrosinn ist: „Falls erforderlich, zum Beispiel weil einer der beiden Sinne keine Informationen liefert oder sich die Informationen der beiden Sinne stark unterscheiden, können die Fische zwischen ihrem Sehsinn und dem elektrischen Sinn hin- und herschalten“, fasst Co-Autorin Sarah Schumacher das Ergebnis der Untersuchungen zusammen.
Elefantenrüsselfische können das Bild ihrer Umgebung auch von einem Sinn auf den anderen übertragen: Wenn die Tiere ein Objekt im Aquarium zuerst nur mit dem Sehsinn kennengelernt hatten, konnten sie es anschließend auch mit dem elektrischen Sinn wiedererkennen, obwohl sie es nie zuvor elektrisch wahrgenommen hatten. Den Forschern zufolge ist dies mit einem Menschen zu vergleichen, der sich in einer dunklen, unbekannten Wohnung tastend vorwärts bewegt, um nicht zu stolpern. Geht dann das Licht an, werden die ertasteten Objekte ohne Probleme auch mit den Augen wiedererkannt. „Ein Transfer zwischen verschiedenen Sinnen war bisher nur von einigen hochentwickelten Säugetierarten wie Affen, Delfinen, Ratten und Menschen bekannt“, sagt von der Emde.
Fischgehirn: Klein aber oho!
Zu diesen Ergebnissen kamen die Forscher durch clevere Experimente: Jeweils ein Versuchsfisch befand sich in einem Aquarium, das zwei Kammern besaß, zwischen denen das Tier wählen konnte. Hinter der Öffnung zu den jeweiligen Kammern befanden sich verschiedene Objekte: eine Kugel oder ein Quader. Der Fisch lernte, eines dieser Objekte mit einer Futterbelohnung zu verknüpfen. Daraufhin suchte er wieder nach diesem Objekt, um erneut eine Belohnung zu erhalten.
Um zu beantworten, wann der Fisch dabei nun einen bestimmten Sinn einsetzt, wiederholten die Forscher das Experiment in absoluter Dunkelheit. Jetzt konnte das Tier allein auf seinen elektrischen Sinn vertrauen. Wie Infrarotaufnahmen zeigten, gelang ihm die Objekterkennung nur auf nahe Distanzen. Um herauszubekommen, wann der Fisch allein seine Augen nutzt, machten die Forscher die Objekte für den elektrischen Sinn unsichtbar. Die Kugel und der Quader, die gefunden werden sollten, besaßen nun die gleichen elektrischen Eigenschaften wie das Wasser. So kamen die Forscher den enormen und flexiblen Sinnesleistungen der ungewöhnlichen Fische auf die Schliche.
Die vergleichsweise kleinen Gehirne der Fische erbringen damit erstaunlich hohe Leistungen, betonen die Forscher: Säugetiere verarbeiten solche Informationen mit ihrer Hirnrinde. Der Elefantenrüsselfisch besitzt diesen Hirnteil jedoch nicht und kann dennoch zwischen den Sinnen hin und her schalten. Die Ergebnisse reihen sich damit nun in weitere Ergebnisse ein, die belegen, dass einige Fischarten Hirnleistungen erbringen, die man den angeblich vergleichsweise simplen Wasserbewohnern nicht zugetraut hat.