Der Mensch prägt die Erde wie wohl kein zweites dort heimisches Wesen. Überall formt er die Natur mit seinen Aktivitäten und greift in empfindliche Ökosysteme ein. Pflanzen und Tiere ziehen dabei oft den Kürzeren: Affen verlieren ihren Lebensraum durch Waldrodung, Meeresvögel vergiften sich an Plastikmüll, Fische haben mit Schwermetallen zu kämpfen und Hormonrückstände in Gewässern unterziehen Froschmännchen gar einer unfreiwilligen Geschlechtsumwandlung – eine Liste, die man wohl endlos fortführen könnte. Für viele Lebewesen können solche Eingriffe im schlimmsten Fall das Ende ihrer Art bedeuten: „Leider sind etliche Spezies nicht dazu in der Lage, sich schnell genug an diese drastischen Veränderungen anzupassen“, sagen Wissenschaftler um Noah Reid von der University of California in Davis.
Doch es gibt auch erstaunliche Überlebenskünstler in der Tierwelt – und der entlang der Atlantikküste Nordamerikas heimische Killifisch (Fundulus heteroclitus) gehört definitiv dazu. Seit den 1950er Jahren wird sein Lebensraum zunehmend durch industrielle Abfälle verschmutzt. Dioxine, Schwermetalle und andere giftige Chemikalien schwimmen in tödlichen Konzentrationen in den Gewässern. Einigen Killifisch-Populationen aber scheint das nichts auszumachen. Um zu verstehen, warum die Art trotz der Umweltverschmutzung überleben kann, haben Reid und seine Kollegen knapp 400 Killifische aus verschmutzten und nicht verschmutzten Gegenden untersucht. Das Ergebnis: Die an die Gifte im Wasser gewöhnten Tiere können rund 8.000-mal so hohe Konzentrationen von Chemikalien vertragen wie andere Fische.
Eine molekulare Strategie für alle
Wie ist das möglich? Das Geheimnis liegt in den Genen, wie eine Erbgutanalyse offenbarte. Die Forscher entdeckten, dass in verseuchten Gewässern heimische Fische eine geringere genetische Vielfalt aufweisen als ihre Verwandten aus sauberen Gefilden. Ein Zeichen dafür, dass die Verschmutzung die Fischbestände zunächst dezimierte und weniger Genaustausch stattfand. Doch mit der Zeit scheinen sich die Killifische an die neue Situation angepasst zu haben: In ihrem Genom zeigten sich Veränderungen, die ihnen offenbar das Leben im Dreckwasser erleichtern. Vor allem zahlreiche Gene, die mit dem sogenannten Ah-Rezeptor in Verbindung stehen, fehlen diesen Tieren nun. An diesen Rezeptor können unter anderem Dioxine und PCBs andocken. Allerdings spielt er auch eine Rolle für Signalwege, die den Hormon- und Sauerstoffhaushalt, denn Zellzyklus und das Immunsystem regulieren. Demnach müsste das Fehlen wichtiger Gene in diesem Bereich auch negative Auswirkungen haben. „Wir haben im Genom an anderen Stellen aber etliche Mutationen entdeckt, die das Fehlen der gelöschten Gene kompensieren können“, schreibt das Team.
Interessant dabei: Obwohl sich Killifische in unterschiedlichen Regionen völlig unabhängig voneinander an verschmutzte Gewässer anpassen mussten, sind die Überlebensstrategien der einzelnen Populationen auf genetischer Ebene doch erstaunlich identisch: „Alle Fische, die den Giften ausgesetzt waren, haben ihre Toleranz durch denselben molekularen Weg erworben“, sagt George Gilchrist von der National Science Foundation, die die Studie gefördert hat. Das deute womöglich daraufhin, dass die Evolution nur einige wenige Lösungen auf Lager hat, um Arten an Verschmutzung anzupassen. Dass die Killifische sich überhaupt so schnell an die Veränderungen in ihrer Umwelt gewöhnen konnten, ist einer Besonderheit geschuldet: Der variable Anteil in ihrem Genom ist den Wissenschaftlern zufolge höher als bei jedem anderen Wirbeltier. Die Evolution kann auf diese Weise schneller greifen. Auch Insekten profitieren etwa von dieser Eigenschaft – und werden deshalb rasch gegen Pestizide resistent.
Reid und seine Kollegen verstehen ihre Arbeit als Grundlage für weitere Forschung. Sie glauben, dass die bei den Killifischen identifizierten Anpassungsmechanismen auch bei anderen Tieren zum Tragen kommen könnten: „Wenn wir wissen, welche Arten von Genen für bestimmte Chemikalien sensibel machen, können wir auch verstehen, mit welchen Mutationen sie auf solche Einflüsse reagieren – und vielleicht auch Rückschlüsse auf unsere eigenen genetischen Anpassungsstrategien ziehen.“ Zunächst müsse sich aber zeigen, ob die Ergebnisse tatsächlich auf andere Arten übertragbar seien und in welchem Ausmaß.