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Skurriler Kampf um die „Pompoms“

Erde|Umwelt

Skurriler Kampf um die „Pompoms“
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Schon das ist skurril: Boxerkrabben halten in jeder ihrer Scheren eine Seeanemone (Foto: Yisrael Schnytzer)
Boxerkrabben sind schon per se ziemlich ungewöhnlich: Statt ihre Seeanemonen wie Einsiedlerkrebse auf dem Panzer zu tragen, halten sie zwei davon in ihren Scheren – wie zwei büschelige Pompoms. Jetzt haben Biologen ein noch skurrileres Verhalten dieser Krebse beobachtet: Begegnen sie einem Artgenossen, brechen sie einen Kampf vom Zaun und rauben ihm eine seiner Seeanemonen. Diese Seeanemone reißen sie dann mit ihren Klauen in der Mitte durch – und machen so flugs aus einer zwei.

Die Boxerkrabben der Gattung Lybia kommen in den tropischen Regionen des Pazifiks und Indischen Ozeans vor, aber auch im Roten Meer. Ähnlich wie die Einsiedlerkrebse leben diese nur rund einen Zentimeter großen Krebse in enger Gemeinschaft mit Seeanemonen. Von dieser Partnerschaft profitieren beide: Der Krebs wird durch das giftige Nesselsekret der Anemone vor Feinden geschützt, die Anemone wiederum wird vom Krebs umhergetragen und bekommt so reichlich Futternachschub. Doch statt die Seeanemone auf ihren Panzer zu setzen, halten die Boxerkrabben sie in ihren Scheren – typischerweise zwei pro Boxerkrabbe. Wie die Krebse jedoch ihre Anemonen bekommen, war bisher unbekannt. Klar war nur, dass die Boxerkrabben auf ihre büscheligen Partner angewiesen zu sein scheinen. „Wir haben in der Natur noch nie einen Lybia-Krebs ohne Seeanemone beobachtet“, berichten Yisrael Schnytzer von der Bar-Ilan Universität in Ramat-Gan und seine Kollegen. Biologen vermuten schon seit längerem, dass die kleinen Krebse auch vor Diebstahl nicht zurückschrecken, um an ihre Seeanemonen zu kommen.

Erst Raub, dann Zerreißen

Um diese Vermutung zu überprüften, sammelten Schnytzer und seine Kollegen einige Boxerkrabben aus der Gezeitenzone des Roten Meeres im israelischen Eilat. Dann stellten sie 44 dieser Krebse zu Paaren etwa gleichgroßer Tiere zusammen. Einem der beiden Boxerkrabben entfernten sie beide Seeanemonen, der andere durfte seine behalten. Was dann geschah, filmten die Forscher. Die Aufnahmen enthüllten: Sobald die Krebse zusammengesetzt wurden, näherten sie sich einander an. Dabei hielten beide ihre vorderen Scheren so weit wie möglich voneinander weg – egal ob sie Seeanemonen hielten oder nicht. Dann brach ein heftiger Kampf aus, der bis zu 40 Minuten andauern konnte. Die Krebse pressten ihre Rückenpanzer aneinander und zerrten und schoben mit ihren Laufbeinen am Gegner herum. Die anemonenlose Krabbe versuchte dabei, auf ihren Gegner zu gelangen. Schaffte sie dies, hielt sie mit ihren Beinen eine Schere der anderen fest und hebelte sie auf. Dann griff sie mit ihrer eigenen Schere zu und stahl die Seeanemone. 

„Nachdem eine ganze Seeanemone oder ein Teil davon geraubt wurde, brachen die Gegner ihren Kampf ab und kehrten in ihre Ecken des Aquariums zurück“, berichten die Forscher. „Wir haben nie beobachtet, dass bei einem solchen Kampf beide Seeanemonen gestohlen wurden.“ Interessant auch: Der Aggressor bei diesen Kämpfen war keineswegs immer die anemonenlose Krabbe, sondern genauso oft der Krebs mit zwei Seeanemonen in den Klauen. Warum dieser den für ihn eher unvorteilhaften Kampf anzettelt, ist bisher unklar. Ebenfalls überraschend war das Verhalten, das auf den Verlust einer Seeanemone folgte – egal ob diese im Kampf verloren ging oder von den Forschern entfernt wurde. Denn sobald die Boxerkrabbe nur in einer Schere eine Seeanemone hielt, drehte sie ihre Klaue so, dass die Anemone kopfüber vor ihrem Körper hing. Dann packte sie mit der zweiten Schere zu und zerrte die Seeanemone langsam auseinander. „Dabei nutzte sie ihre vorderen Laufbeine, um die Seeanemone quasi chirurgisch in zwei Hälften zu teilen“, berichten Schnytzer und seine Kollegen. Was für die Seeanemone fatal scheint, schadet ihr jedoch nicht, im Gegenteil: Beide Hälften wachsen und regenerieren sich wieder, so dass der Krebs nun wieder zwei Seeanemonen sein Eigen nennen kann.

Beide Verhaltensweisen sind für Krebse äußerst ungewöhnlich, wie die Wissenschaftler berichten. Für die Boxerkrabben jedoch scheint sowohl der Raub der Seeanemone als auch ihre Teilung zum normalen Verhaltensrepertoire zu gehören. „Unseres Wissens nach gibt es kein anderes Meerestier, das die Seeanemonen durch Zerreißen zur Teilung zwingt“, konstatieren Schnytzer und seine Kollegen. Die kleinen Boxerkrabben spielen damit eine wichtige Rolle für die asexuelle Vermehrung dieser Nesseltiere. Auch die Tatsache, dass die Boxerkrabben selbst dann einen Kampf anfangen, wenn sie zwei Seeanemonen tragen, sei einzigartig. So kämpfen zwar Einsiedlerkrebse auch häufiger um ihre Seeanemonen, bei ihnen beginnt aber immer der Krebs ohne einen solchen Partner den Kampf. „Insgesamt zeigt sich, dass die Boxerkrabben ein einzigartiges Verhaltensrepertoire aufweisen, wenn es um ihre Seeanemonen geht“, konstatieren die Forscher.

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Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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