Es ist ein ausgesprochen altes Rätsel: Schon der griechische Gelehrte Aristoteles hielt es für bemerkenswert, wie unterschiedlich die Eiformen im Reich der Vögel sind. Bisher nahm man an, dass dies mit der Lebensweise und den Nistgewohnheiten einer jeweiligen Art zu tun hat. Beispielsweise gab es die Vermutung, dass Klippen-Nistvögel mehr kegelförmige Eier legen, weil sie in einem engen Kreis rollen und somit weniger absturzgefährdet sind. Eine andere Annahme besagte, dass die Eiformen mit der optimalen Wärmeverteilung beim Brüten verknüpft sind. Um der Frage einmal systematisch nachzugehen, hat ein internationales Team nun ein multidisziplinäres Forschungsprojekt durchgeführt: Informatik, vergleichende Biologie, Mathematik und Biophysik kamen zum Einsatz, um der Vielfalt der Eiformen auf den Grund zu gehen.
Digitalisierte Ei-Vielfalt
Zunächst erfasste das Team anhand von Fotos die Formen der Eier von 1400 Vogelarten aus sieben Gruppen. Die Abbildungen stammten aus einer Online-Datenbank des Museums of Vertebrate Zoology in Berkeley. Die Vorlagen bildeten Eier, die von Naturforschern im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert weltweit gesammelt worden waren. Mit speziellen Computer-Codes analysierten die Forscher anhand der Abbildungen automatisch die jeweiligen Formmerkmale der Eier: den Grad der Asymmetrie beziehungsweise Elliptizität.
Auf diese Weise erfassten und digitalisierte das Team die Welt der Eiformen. Das asymmetrischste Ei besitzt demnach der Wiesenstrandläufer (Calidris minutilla). Das elliptischste Ei legt hingegen das indonesische Hammerhuhn (Macrocephalon maleo). Die Eifomen der anderen Vögel ordnen sich irgendwo dazwischen ein. Um mögliche Zusammenhänge zu überprüfen, verknüpften die Forscher ihre Ei-Daten mit Details über Nistgewohnheiten, Gelegegrößen, Ernährungsweisen und der Flugfähigkeiten der jeweiligen Vogelarten beziehungsweise ihrer Familien.
Flugexperten haben eher asymmetrische Eier
In den Auswertungen zeichnete sich ab: Tendenziell haben diejenigen Vogelarten eher asymmetrische beziehungsweise elliptische Eier, die viel fliegen. „Die Variationen sind nicht einfach zufällig, sondern sind mit Unterschieden in der Ökologie der Arten verknüpft, vor allem mit dem Ausmaß, wie stromlinienförmig der Körper einer Art für den Flug optimiert ist“, sagt Co-Autor Joseph Tobias von Imperial College London. Er und seine Kollegen vermuten, dass die Fluganpassungen zu einer reduzierten Größe der Bauchhöhle geführt haben, was sich auf die Eiproduktion auswirkte. Somit war vermutlich letztlich ein „Verpackungsproblem“ der Grund für die asymmetrischen oder länglichen Ei-Formen. Das Prinzip: Ein heranreifendes Ei im Vogelkörper sollte ein günstiges Volumen aufweisen, aber gleichzeitig die Stromlinienform des Muttervogels gewährleisten. Durch spitze oder elliptische Eier ließ sich das erreichen: Sie erhöhen das Ei-Volumen, ohne die maximale Breite zu vergrößern.
Aus ihren Studienergebnissen ergeben sich nun weitere interessante Untersuchungsfragen, sagen die Forscher. Auch die Eier von Dinosauriern wollen sie jetzt ins Visier nehmen. „Wir sind dabei vor allem darauf gespannt, wie sich die Eiformen während der Entwicklung von den Dinosauriern zu den Vögeln verändert haben“, sagt Stoddard.