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Portrait der Urblüte

Erde|Umwelt

Portrait der Urblüte
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3D-Modell der allerersten Blüte (Grafik: Hervé Sauquet, Jürg Schönenberger)
Ob als Zierblume, Beerenstrauch oder Laubbaum: Die Vielfalt der Blütenpflanzen prägt heute unsere Vegetation. Doch wie sah die allererste Blüte aus – die Urform dieses typischen Kennzeichens aller heutigen Angiospermen? An ein „Phantombild“ dieser Urblüte hat sich nun ein internationales Forscherteam herangewagt. Anhand der Merkmale von tausenden heutiger Blüten rekonstruierten sie das Aussehen der Urblüte. Diese war demnach ein Zwitter, besaß mindestens zehn Blüten- und Staubblätter und noch keine verwachsenen Blütenorgane.

Die Blüte ist eine echte Schlüsselinnovation der Evolution. Sie ist für eine wahre Explosion der Artbildung und Vielfalt verantwortlich, die im Laufe der Zeit mindestens 400.000 verschiedene Blütenpflanzenarten hervorbrachte. Die Angiospermen, so der Fachausdruck, machen heute rund 90 Prozent aller Landpflanzen aus. Ohne sie gäbe es keine Laubbäume, kein Obst und keine Blumen. Doch wann die ersten Blütenpflanzen entstanden sind und wie sie aussahen, ist bisher nur grob bekannt. Einer der Gründe dafür: Blüten und Blätter sind filigrane und leicht vergängliche Pflanzenorgane, von ihnen gibt es daher kaum fossile Überreste. Aus versteinerten Pollenkörnern sowie Genvergleichen schließen Paläontologen jedoch, dass sich die ersten Blütenpflanzen irgendwann vor 140 bis 250 Millionen Jahren entwickelt haben müssen. Doch wie die Blüten dieser allerersten Blumen aussahen, blieb unbekannt.

Zwittrig und blattreich

Jetzt hat ein internationales Team um Hervé Sauquet von der Universität Paris-Süd der allerersten Urblüte erstmals ein Gesicht gegeben. Die Forscher rekonstruierten das Aussehen der Urblüte, indem sie die Verbreitung von 27 wichtigen Blütenmerkmalen bei existierenden und fossilen Angiospermen zusammentrugen. Insgesamt werteten sie dafür 13.444 Datensätze von 792 Blütenpflanzenarten aus. Aus der Verteilung dieser Merkmale und den Verwandtschaftsverhältnissen der Pflanzen ermittelten sie die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein bestimmtes Merkmal schon beim letzten gemeinsamen Vorfahren vorhanden war. Sie erzeugten gewissermaßen eine Art Phantombild der Urblüte.

Die Auswertung ergab: Die Urblüte war ein Zwitter. Sie vereinte sowohl männliche als auch weibliche Organe in einer Blüte, wie die Forscher berichten. Dies galt schon länger als die ursprüngliche Form der Fortpflanzung für die Angiospermen und ist daher keine Überraschung. Zudem war die Urblüte radiärsymmetrisch – ähnlich wie heutige Korbblütler. Ihre Blütenhülle bestand aus mindestens zehn einheitlich aussehenden Blütenblättern (Tepalen), sie waren demnach noch nicht in grüne Kelch- und bunte Kronblätter differenziert. Stattdessen sahen wie bei heutigen Tulpen alle Blütenblätter mehr oder weniger gleich aus. Diese Blütenblätter waren bei der Urblüte nicht spiralig, sondern wirtelig – in zwei bis drei Kreisen – angeordnet und nicht miteinander verwachsen.

Weiter innen trug die Blüte mindestens zehn pollentragende Staubblätter, die ebenfalls auf mehrere Kreise aufgeteilt waren. Zuoberst und im Zentrum der Urblüte lagen die fünf weiblichen Fruchtblätter (Karpelle). Diese spiralig angeordneten Samenanlagen bildeten keinen verwachsenen Fruchtknoten, wie bei vielen heutigen Blüten der Fall, sondern standen einzeln, wie die Forscher berichten. „Trotz einiger Ähnlichkeiten mit heute existierenden Blumen gibt es keine lebende Blütenpflanzenart, die exakt diese Kombination von Merkmalen teilt“, konstatieren Sauquet und seine Kollegen. Selbst die als sehr ursprünglich geltenden Seerosenartigen(Nymphaeales) und der nur auf Neukaledonien vorkommende Amborella-Strauch seien bereits in mehreren Aspekten weiterentwickelt.

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Neuer Blick auf Blütenpflanzen-Evolution

Die Rekonstruktion der Urblüte wirft ein ganz neues Licht auf die Evolution der Blütenpflanzen und die Schritte, die von der Urblüte zur heutigen Vielfalt führten. So nahm man bisher an, dass Blüten- und Staubblätter der ersten Blumen eher spiralig und nicht wirtelig angeordnet waren. „Unsere Analyse liefern nun den umfassendsten Beleg dafür, dass das Gegenteil der Fall war“, so die Forscher. Sie vermuten, dass die Urblüte in Bezug auf die Zahl ihrer Wirtel und Blätter nicht sehr festgelegt war. Schon in der frühen Evolution der Blütenpflanzen könnten die Blumen daher einen Teil ihrer Blütenblätter und Wirtel reduziert oder miteinander verschmolzen haben. „Die reduzierte Zahl von Wirteln könnte sogar die Voraussetzung für die weitere Abwandlung der Blütenstruktur gewesen sein. Erst sie führte dann zu der großen Vielfalt der Blütenformen und Bestäubungsstrategien, die wie bei heutigen Blumen kennen“, mutmaßen Sauquet und seine Kollegen.

„Unsere Rekonstruktion kann zwar nicht direkt klären, wie sich die Urblüte entwickelt hat, sie liefert uns aber ein neues und detailliertes Bild des letzten gemeinsamen Vorfahren aller heutigen Angiospermen“, konstatieren die Wissenschaftler. „Unsere Ergebnisse sind daher ein großer Schritt vorwärts, um den Ursprung der Blütenvielfalt und der Evolution der Angiospermen zu verstehen.“ Sauquet und seine Kollegen hoffen, dass künftige Fossilfunde ihre Rekonstruktion bestätigen und es erlauben werden, die ersten Entwicklungsschritte von der Urblüte zu ihren Nachfolgern nachzuvollziehen.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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