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Ungewöhnliche Hausgenossen

Erde|Umwelt

Ungewöhnliche Hausgenossen
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Der neuentdeckte Einsiedlerkrebs (Diogenes heteropsammicola) in einer Wanderkoralle (Foto: Momoko Igawa)
Einsiedlerkrebse wohnen am liebsten in den leeren Schalen von Schnecken – gerne mit einer Seeanemone als Mitbewohnerin auf dem „Hausdach“. Doch vor einer Inselgruppe im Süden Japans haben Biologen jetzt eine äußerst ungewöhnliche Wohngemeinschaft entdeckt. Eine bisher unbekannte Art von Einsiedlerkrebsen sucht sich dort ausschließlich Wanderkorallen als Behausung. Das Erstaunliche daran: Eigentlich sind diese Korallen an Meereswürmer als Untermieter angepasst. Die Krebse sind damit eines der seltenen Beispiele für eine obligate Symbiose mit Partnerwechsel.

Wenn bei einer Symbiose beide Partner vom jeweils anderen abhängig sind, bleiben sie sich auch meist treu: „Der Wechsel eines Symbiosepartners ist in solchen Fällen eines obligaten Mutualismus extrem selten“, erklären Momoko Igawa und Makoto Kato von der Universität Kyoto. Die beiden beteiligten Arten haben sich im Laufe ihrer Koevolution so aneinander angepasst, dass oft keine andere Spezies die jeweilige Rolle übernehmen kann. Als ein klassisches Beispiel für eine solche auf Dauer angelegte Partnerschaft galten bisher auch die Wanderkorallen mit ihren Würmern. Bei diesen Korallen handelt es sich nicht um in Kolonien lebende Riffbauer, sondern um Einzelgänger. Die Korallentiere bilden ein etwa daumennagelgroßes Kalkskelett mit einer gewundenen Höhlung darin. In dieser Höhlung lebt ein Meereswurm aus der Gruppe der Sipunculiden. Für den Wurm hat dies den Vorteil, dass ihm die Korallenschale Schutz bietet. Die Koralle wiederum profitiert davon, dass der Wurm sie auf dem Meeresboden umherträgt und sie sogar vor Missgeschicken schützt: „Wenn die Korallen vom Wasser umgeworfen oder von Sediment verschüttet wird, hilft ihr der Wurm dabei, wieder zu frei zu kommen“, berichten Igawa und Kato.

Lebende Koralle statt Schneckenhaus

So weit, so bekannt. Doch als die beiden Forscher den Meeresboden vor den südjapanischen Anami-Inseln untersuchten, bot sich ihnen ein überraschender Anblick: Sie sahen mehrere Wanderkorallen, in deren Höhle statt des Wurms ein Einsiedlerkrebs steckte. Obwohl alle bekannten Arten dieser Krebsgruppe nur Molluskenschalen bewohnen, schienen diese Einsiedler die lebenden Korallen als Behausung zu bevorzugen. „Diese neue Spezies hat damit eine unter den Einsiedlerkrebsen einzigartige Behausung“, sagen die Biologen. Weltweit ist kein einzige dieser Krebse bekannt, der eine lebende Koralle als Haus benutzt. Aber ist dieser Einsiedlerkrebs tatsächlich der Dritte im Bunde – ein weiterer vollwertiger Symbiosepartner für die Wanderkorallen? Um das herauszufinden, fingen die Wissenschaftler einige Exemplare dieser tierischen Wohngemeinschaften ein, um ihr Verhalten im Aquarium beobachten zu können.

Dabei zeigte sich: Der Einsiedlerkrebs kam seinen Pflichten als Untermieter perfekt nach: „Wenn die Koralle umkippte, lehnte sich der Krebs aus der Öffnung heraus, hielt sich mit seinen langen Beinen am Boden fest und wuchtete die Koralle wieder in die aufrechte Position“, berichten die Forscher. „Wurde die Koralle von Sediment verschüttet, schaufelte er sie wieder frei und krabbelte dann mitsamt seiner Korallenfracht ein Stück weiter.“ Umgekehrt verschafft die Koralle dem Krebs eine maßgeschneiderte Behausung, denn im Gegensatz zu Schneckenschalen wächst sie mit ihrem Untermieter mit. Für die optimale Passform ist der weiche Hinterleib dieser Krebse sogar besonders schmal, damit er in die enge, gewundene Höhlung im Gehäuse der Wanderkorallen passt. 

„Für den Einsiedlerkrebs scheint diese Partnerschaft obligatorisch zu sein, für die Korallen dagegen nicht“, sagen Igawa und Kato. Die Wanderkorallen benötigen zwar einen Symbiosepartner, aber ob dieser der Meereswurm oder der Einsiedlerkrebs ist, scheint für sie egal zu sein. „Das ist wirklich einzigartiger Fall“, konstatieren die Forscher. Sie vermuten, dass ursprünglich nur die Meereswürmer die Partner der Wanderkorallen waren. Irgendwann entdeckte dann ein Vorfahre dieser Einsiedlerkrebse diese praktische Behausung und begann, sich mehr und mehr an die Koralle anzupassen. Inzwischen ist er sogar völlig von ihr abhängig. „Dass ein stammesgeschichtlich so weit entfernter Organismus hier die Rolle des Sipunculiden übernommen hat, ist wirklich ein interessant“, sagen Igawa und Kato.

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Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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