Der Mono Lake östlich des Yosemite National Park ist ein ausgesprochen bizarrer See:
Er ist nicht nur dreimal salziger als die Ozeane, sein Wasser besitzt auch einen extrem hohen pH-Wert und steckt voller Natriumcarbonat und Borax. Es hat dadurch Eigenschaften wie ein Waschmittel und wirkt schleimig und ölig. Fische oder andere Wirbeltiere können in dieser Suppe nicht überleben. Dennoch wimmelt es im Mono Lake von Leben: Einige Algen und Bakterien haben sich an die Bedingungen angepasst und bilden üppige Schichten unter Wasser. Als Futterquelle haben sich diese Biomasse jedoch nur wenige Wesen erschließen können. Ausgerechnet eine Fliege hat es aber geschafft: Ephydra hian. Den Hintergründen der erstaunlichen Fähigkeiten dieser bizarren Wesen haben die Forscher um Michael Dickinson vom California Institute of Technology in Pasadena nun eine Untersuchung gewidmet.
Tauchen im „vielleicht nassesten Wasser der Welt“
Zunächst beschreiben sie im Rahmen ihrer Studie detailliert die Merkmale und Verhaltensweisen der tauchenden Fliege. Wie schon Mark Twain erstaunt feststellte, können die Insekten die Oberflächenspannung durchbrechen und sich unter Wasser ziehen. Wenn sie dann später wieder nach oben kommen, steigen sie komplett trocken aus dem Nass. Wie die Forscher nun anhand von Aufnahmen im Detail zeigen konnten, sind die Insekten unter Wasser von einer dünnen Luftblase umgeben. Interessanterweise bedeckt die feine Luftschicht ihre Augen dabei nicht, so dass die Fliegen beim Tauchen gute Sicht behalten. Auf diese Weise machen sie sich dann über die Algen– und Bakterienrasen auf den Steinen des Mono Lake her.
Von anderen Insekten ist bereits bekannt, dass sie sich durch feine Härchen auf der Körperoberfläche wasserabweisend machen und dadurch vor Benetzung schützen. Doch beim Wasser des Mono Lake würden die bekannten Systeme versagen, betonen die Forscher. Wegen seiner besonderen chemischen Zusammensetzung kann sein Wasser die Behaarung von Insekten gut durchbrechen. Die Forscher fanden heraus, dass dafür negativ geladene Carbonat-Ionen verantwortlich sind. Wenn eine normale Fliege dem Wasser zu nahe kommt, werden die Ionen von positiven Ladungen auf ihrer Oberfläche angezogen und das Wasser wird zwischen die schützenden Haare gesaugt – das Insekt wird nass. Dickinson nennt die Flüssigkeit des Mono Lake deshalb das „vielleicht nasseste Wasser der Welt“.
Superhydrophobie erzeugt die Blase
Wie die Forscher erklären, ist die Blase, die sich bei den Tauchfliegen bildet, das Ergebnis eines extrem wasserabweisenden Phänomens, das Superhydrophobie genannt wird. Den Ergebnissen zufolge entsteht dieser Effekt aus einer Kombination: Die Fliegen sind im Vergleich zu anderen Insekten extrem haarig und außerdem beschichten sie ihren „Pelz“ mit raffinierten Wachsen, die das knifflige Nass des Mono Lake besonders gut abweisen können. Sie besitzen außerdem besonders kräftige Krallen an ihren Füßen, die es ihnen erlauben, auf den Unterwasserfelsen zu krabbeln, während sie ihre Taucherblase eigentlich stark nach oben zieht.
„Diese Fliegen haben keine ganz neuen oder einzigartigen Wege entwickelt, um hydrophob zu bleiben – sie haben bekannte Mechanismen auf die Spitze getrieben,
um in diesem besonders schwierigen Wasser trocken zu bleiben“, sagt Dickinson. Das hat sich ihm zufolge aber eindeutig gelohnt. Die Fliege hat sich ein Schlaraffenland erschlossen, in dem sie keine Feinde fürchten muss. Außerhalb des Wassers gilt das allerdings nicht. Ephydra hian bildet am Mono Lake eine wichtige Nahrungsgrundlage für viele Tierarten, betonen die Forscher.
Die raffinierten Patente des skurrilen Insekts wollen sie nun auch noch detaillierter erforschen, kündigen sie an, und zwar im Hinblick auf die materialwissenschaftlichen und chemischen Aspekte: Vor allem die speziellen Merkmale des Wachses, mit dem sich die Insekten in dem anspruchsvollen Wasser superhydrophob machen, erscheinen ausgesprochen spannend!