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Tauben haben ein Gespür für Zeit und Raum

Erde|Umwelt

Tauben haben ein Gespür für Zeit und Raum
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Tauben sind zu abstrakteren Geistesleistungen fähig als man lange anahm (Foto: Kathryn Gamble)
Von wegen Spatzenhirn: Tauben sind deutlich schlauer als es ihr Ruf nahelegt. Ein neues Beispiel dafür haben jetzt US-Forscher aufgedeckt. Sie stellten fest, dass Tauben ein ähnliches Gespür für Zeit und Raum besitzen wie wir. Sie können sowohl Zeitintervalle als auch die Größe von Objekten instinktiv einschätzen und unterscheiden. Das Überraschende daran: Wie bei uns Menschen werden diese beiden Eigenschaften in einem gemeinsamen Hirnareal verarbeitet.

Tauben gelten zwar als Symbol des Friedens und der Verbundenheit, ein Ausbund an Intelligenz sind sie aber nicht unbedingt – so jedenfalls dachte man lange. Im Gegensatz zu Krähen, Kakadus oder Keas schrieb man den Tauben keine außerordentlichen Geistesleistungen zu. Doch inzwischen hat sich dies geändert. Denn Biologen entdeckten immer mehr Belege dafür, dass mehr im Köpfchen dieser Vögel steckt als lange angenommen. So können Tauben zählen, geschriebene Wörter wiedererkennen und sie besitzen ein Gespür für Symmetrie. Mit ein wenig Training lernen sie sogar, Krebstumore in medizinischen Aufnahmen von gutartigen Geschwülsten zu unterscheiden, wie ein Experiment belegte. Obwohl das Gehirn der Taube nur so groß ist wie die Spitze unseres Zeigefingers, ermöglicht es den Tieren ganz offensichtlich erstaunliche geistige Leistungen.

Tauben im Schätztest

Jetzt haben Edward Wasserman von der University of Iowa und sein Team eine weitere überraschend fortgeschrittenen Fähigkeit der Tauben aufgedeckt. Sie haben untersucht, wie gut die Vögel räumliche und zeitliche Dimensionen abschätzen können. Für den Menschen ist bekannt, dass das instinktive Gefühl für die Dauer von Zeitperioden und die räumliche Dimension seiner Umwelt miteinander verknüpft sind. Beide Eigenschaften werden gemeinsam in einer Region im parietalen Cortex verarbeitet – einem Hirnareal im Scheitellappen der Großhirnrinde. Durch diese neuronale Verknüpfung kommt es zu einem Nebeneffekt, der sich bei uns und auch bei Affen in Experimenten nachweisen lässt: Sollen wir zwei verschieden große Objekte in ihrer Größe vergleichen und gleichzeitig einschätzen, wie lange wir sie sehen, führt uns unser Gehirn in die Irre: Wir schätzen größere Dinge automatisch auch als länger sichtbar ein als kleinere.

Genau diesen Effekt haben die Forscher nun bei Tauben untersucht: Würden die Vögel ebenfalls Anzeichen für eine Verknüpfung von zeitlichen und räumlichen Einschätzungen zeigen? Und können sie überhaupt Zeitintervalle und Größen zuverlässig einschätzen und unterschieden? Für ihr Experiment zeigten Wasserman und seine Kollegen ihren Tauben auf einem Computerbildschirm jeweils eine horizontale Linie. Diese Linie wurde entweder zwei oder acht Sekunde lang eingeblendet und war entweder sechs oder 24 Zentimeter lang. Bei jedem Bild sollten die Tauben durch Anpicken eines von vier Symbolen angeben, ob es sich um die lange oder kurze Linie und um eine lange oder kurze Einblendung handelte. Das Schwierige daran: Weil die Tauben immer nur ein Bild auf einmal sahen, konnten sie die Merkmale nicht direkt vergleichen, sie mussten sie aus dem Gefühl einschätzen.

Ähnlich verknüpft wie bei uns

Das Ergebnis: Die Tauben tippten sehr häufig korrekt und bewiesen damit, dass sie ein instinktives Gespür für Zeit und räumliche Dimensionen besitzen. Die Einschätzung solcher eher abstrakter Konzepte ist demnach keine Domäne nur der Primaten, wie die Forscher betonen. Interessanterweise zeigten die Tauben im Test zudem den gleichen Verknüpfungseffekt wie wir Menschen: Sahen sie eine lange Linie, schätzten sie automatisch auch die Zeitdauer der Einblendung länger ein. Nach Ansicht der Wissenschaftler spricht dies dafür, dass auch bei diesen Vögeln beide Dimensionen neuronal verknüpft sind. Allerdings: Tauben besitzen wie alle Vögel keinen parietalen Cortex. Demnach muss es anderswo in ihrem Gehirn ein Areal geben, das für die Einschätzung von Raum und Zeit zuständig ist. „Der Cortex ist demnach nicht einzigartig, wenn es um die Beurteilung von Raum und Zeit geht“, sagt Wassermans Kollege Benjamin De Corte. „Die Tauben besitzen offensichtlich andere Hirnsysteme, die es ihnen erlauben, diese Dimensionen wahrzunehmen und einzuschätzen.“

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Damit liefert dieses Experiment ein weiteres Beispiel dafür, dass die vermeintlich „dummen“ Tauben sich trotz weitgehend fehlender Großhirnrinde in vielen Geistesleistungen durchaus mit Säugetieren und sogar Primaten messen können. „Die kognitiven Fähigkeiten von Vögeln erweisen sich als denen von Menschen und nichtmenschlichen Primaten immer ähnlicher“, sagt Wasserman. „Die Nervensysteme der Vögel sind zu weitaus größeren Leistungen imstande, als es Schimpfworte wie Spatzenhirn nahelegen.“

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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