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Winzige Landwirte vergiften Schmarotzer

Erde|Umwelt

Winzige Landwirte vergiften Schmarotzer
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Fruchtkörper der Amöbe Dictyostelium discoideum (Scott Solomon)
Die Amöbe Dictyostelium ist ein beliebter und – so dachte man – gut erforschter Labororganismus. Doch wie sich herausstellt, haben die wildlebenden Vertreter ihren Verwandten in der Nährlösung einiges voraus. Manche von ihnen betreiben eine primitive Form der Landwirtschaft. Sie tragen jene Bakterien, die ihnen als Nahrung dienen, stets mit sich. Doch das ist noch nicht alles: Wie US-Forscher nun herausgefunden haben, beherbergen sie außerdem Bakterien, die schmarotzende Artgenossen von ihren Vorräten fernhalten.

Dictyostelium discoideum ist eine gerissene Amöbe. Gibt es genug zu essen, bleibt sie lieber allein. Wird die Nahrung jedoch knapp, schließt sie sich mit zehntausenden Artgenossen zu einem gut organisierten Haufen zusammen. Die Einzeller bilden erst eine bewegliche Glibbermasse, dann eine pilzähnliche Struktur mit einem Stiel und einem Fruchtkörper, der schließlich Sporen aussäht. Läuft alles gut, werden diese vom Wind in ergiebigere Jagdgründe getragen, wo sie sich wieder in Amöben zurückverwandeln.

Das allein ist eine beachtliche Leistung für eine simple Amöbe. Doch während sich die Fähigkeiten jener Dictyostelium-Vertreter, die seit Jahrzehnten in Nährlösungen gepäppelt werden, darin erschöpfen, haben ihre wildlebenden Verwandten noch mehr Tricks auf Lager. 2011 berichteten Debra Brock und ihre Kollegen in „Nature“ erstmals, dass einige Dictyostelium-Klone eine primitive Form der Landwirtschaft betreiben. Die Forscher hatten die Stämme im Waldboden aufgestöbert und im Labor festgestellt, dass die Fruchtkörper mancher Amöbenverbände Bakterien enthielten, „obwohl sie eigentlich steril sein sollten“, wie Brock erzählt. Wie sich herausstellte, dienten die Bakterien den  Amöben als eiserne Reserve. Sollten ihre Sporen an einen kargen Ort getragen werden, hätten sie immer noch einen kleinen Vorrat an Beute-Bakterien bei sich, um eine neue Kolonie zu begründen.

Nur etwa ein Drittel aller wilden Dictyostelium-Variantenbetreibt diese Art der Landwirtschaft. Der Grund dafür ist vermutlich, dass die Vorratshaltung in Zeiten des Überflusses von Nachteil ist. Da die Bauern nur die Hälfte aller verfügbaren Bakterien verschlingen und die andere Hälfte aufbewahren, stehen sie schlechter da als jene Artgenossen, die sich hemmungslos vollfressen. Doch wie stellen die Einzeller sicher, dass sie wenigstens in mageren Zeiten profitieren – und ihnen keine wohlgenährten Schmarotzer die Nahrung wegnehmen?

Mit chemischen Keulen gegen die Faulpelze

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Wie Brocks und ihre Kollegen von der Washington University nun in „Nature Communications“ zeigen, haben sich die Dictyostelium-Bauern Aufpasser zugelegt. Zusätzlich zu ihren Vorräten tragen sie auch nicht essbare Bakterien mit sich herum, deren Erbgut teilweise dem menschlicher Krankheitserreger ähnelt. Diese Symbionten geben Substanzen ab, die schmarotzende Artgenossen vergiften. Dem Effekt kamen die Forscher auf die Spur, als sie im Labor Farmer und Faulpelze zu unterschiedlichen Anteilen mischten. Je stärker die Farmer in der Überzahl waren, desto weniger Sporen produzierten die verbliebenen Faulpelze. Auf die Sporenproduktion der Farmer hatte das Mischungsverhältnis hingegen keinerlei Auswirkungen.

Dictyostelium ist nicht der einzige Landwirt in der Natur, der sich im Laufe der Evolution Helfer zugelegt hat. Blattschneiderameisen etwa tragen Bakterien mit sich, die ihre Pilzgärten vor Verunreinigungen durch unerwünschte Spezies schützen. Die Wissenschaftler aus Washington schreiben: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass erfolgreiche Landwirtschaft eine komplexe evolutionäre Anpassung ist, da sie zusätzliche Strategien wie die Rekrutierung weiterer Parteien erfordert, um die Ernte zu verteidigen und zu privatisieren.“ Dass selbst so simple Organismen wie Amöben derart komplexe Beziehungen unterhalten, erstaunte selbst die Forscher. „Hier geht es auch darum, offen für Neues zu sein“, sagt  Joan Strassmann, Co-Autorin der Veröffentlichung. „Wenn ein guter Wissenschaftler Dinge beobachtet, die nicht so recht zur Standard-Geschichte passen, wird er nicht versuchen, sie in diese Schablone zu pressen. Er wird stattdessen erkennen, das etwas anderes vor sich geht und herausfinden, was es ist.“

Quelle:

© wissenschaft.de – Nora Schlüter
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