Wie die Forscher um Maximilian Weigend von der Universität Bonn nun aufgedeckt haben, nutzt auch die berühmte Modellpflanze Ackerschmalwand ( Arabidopsis thaliana) das Kalziumphosphat zur Verteidigung. In der Wissenschaft dient dieses unscheinbare Gewächs seit vielen Jahrzehnten als Modell-Pflanze. „Die Ackerschmalwand ist mit Sicherheit die am besten untersuchte Pflanze überhaupt“, sagt Weigend. „Umso überraschender ist es, dass das Kalziumphosphat in den Spitzen der Arabidopsis-Haare erst jetzt entdeckt wurde“, so der Botaniker.
Der Stoff, der Zähne hart macht
Dass nicht nur Tiere, sondern auch Pflanzen das harte Material nutzen, haben die Forscher zunächst bei Blumennesselgewächsen (Losaceae) festgestellt. Sie nutzen die harte Substanz im Gegensatz zur Ackerschmalwand allerdings klar deutlich zur Verteidigung: Es ist in ihre langen harten Stacheln eingebaut, mit denen sie sich vor den Mäulern von Pflanzenfressern schützen. „Von vielen Pflanzen war bekannt, dass sie in ihren Haaren glasartiges Silikat oder Kalk zur Versteifung einlagern“, berichtet Co-Autor Adeel Mustafa. „Es war sehr überraschend zu sehen, dass viele Arten auch das Kalziumphosphat nutzen – einschließlich der Ackerschmalwand.“
Dieses kleine Gewächs besitzt allerdings keine piksenden und schmerzenden Haare, um damit etwa gefräßige Kühe und andere Weidetiere abzuwehren. Bei der Ackerschmalwand sind die Haare klein und vergleichsweise weich. Doch offenbar handelt es sich durchaus ebenfalls um scharfe Waffen, wie die Forscher dokumentieren konnten. Nur in den winzigen Spitzen der Haare befindet sich das harte Kalziumphosphat. „Das Biomineral scheint genau dort abgelagert zu werden, wo es zu einer besonders großen mechanischen Beanspruchung kommt“, erklärt Weigend.
Bild: Haare der Ackerschmalwand: Die scharfen Spitzen sind in unterschiedliche Richtungen gerichtet und nur die extreme Spitze selbst ist mit Kalziumphosphat inkrustiert. (Foto: Hans-Jürgen Ensikat/Uni Bonn)
Erstochene Schädlinge
Die Acker-Schmalwand wehrt sich mit ihren harten Haarspitzen vor allem gegen Kleinstinsekten, wie zum Beispiel Blattläuse, erklären die Forscher. Wie elektronenmikroskopische Aufnahmen zeigen, behindert der Wald mit den gehärteten Dornen die Schädling erheblich. Doch nicht nur das: Wie bei dem mittelalterlichen Folterinstrument der Eisernen Jungfrau werden die Läuse durch die speziell gehärteten Haarspitzen aufgespießt. „Es handelt sich also um kleinskalierte Abwehrwaffen, die zahlreiche Insekten von einer Schädigung der Pflanze abhalten“, sagt Weigend.
Wie die Forscher durch weitere Untersuchungen zeigen konnten, verteidigen sich auch andere Pflanzenarten durch dieses System: Bei mehreren Dutzend Pflanzenarten wurden sie fündig, zum Beispiel bei den Rosenartigen (Rosales), Raublattartigengewächsen (Boraginales) und den Kreuzblütlerartigen (Brassicales). Die Fähigkeit, die Härchen mit Kalziumphosphat zu verstärken, ist im genetischen Bauplan dieser Pflanzen festgelegt, sagen die Wissenschaftler. „Die Entschlüsselung der genetischen Basis der Ausbildung dieser Waffen wäre der notwendige nächste Schritt – dann könnte man solche sich selbst verteidigenden Pflanzen auch als Vorbilder für die Zucht insektenresistenterer Kulturarten nutzen“, sagt Weigend.