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Anti-Aging mit Süßwasserpolyp

Erde|Umwelt

Anti-Aging mit Süßwasserpolyp
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Zeigt kaum Alterserscheinungen und ist bis zum Tod fruchtbar: der Süßwasser-Polyp (Ralf Schaible)
Süßwasserpolypen sterben in jungen Jahren genauso häufig wie im biblischen Alter, Wasserflöhe und Löwen haben eine ähnliche Demographie, Schildkröten werden mit steigendem Alter immer fruchtbarer und Menschen sind ein statistischer Ausreißer. Forscher haben verglichen, wie sich Sterblichkeit und Fruchtbarkeit bei 46 Tier- und Pflanzenarten im Laufe des Lebens entwickeln – und stellten fest: Keine Theorie des Alterns kann die bunt gemischten Ergebnisse erklären.

Was haben Menschen mit Rädertierchen der Klasse Bdelloidea gemein? Auf den ersten Blick nicht viel: Homo sapiens kann über hundert Jahre alt werden, die Rotiferen rafft es meist nach etwas mehr als 60 Tagen dahin. Menschen sind zudem begeisterte Anhänger der geschlechtlichen Fortpflanzung, Bdelloidea hingegen verweigern seit Jahrmillionen den Austausch von Erbgut mit ihren Artgenossen. Und dennoch: auf einer abstrakten Ebene verläuft unser Leben ganz ähnlich wie das der filigranen Zwerge. Genau wie Menschen durchleben die Rädertierchen eine sehr kurze Phase der Fruchtbarkeit, gefolgt von einem erstaunlich langen Leben als unfruchtbare Senioren. Und genau wie bei uns steigt die Sterblichkeit von Bdelloidea im hohen Alter rasant an. So gesehen sind wir den Rädertierchen ähnlicher als den Schimpansen.

Vergleich quer durchs Tier- und Pflanzenreich

Zu dieser erstaunlichen Erkenntnis verhelfen uns Owen Jones vom Max-Planck Odense Center on the Biodemography of Aging in Dänemark und seine Kollegen in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Nature“. Die Forscher verglichen für ihre Studie Fruchtbarkeit und Sterblichkeit von elf Säugetieren, zwölf anderen Wirbeltieren, zehn wirbellosen Tieren, zwölf Gefäßpflanzen und einer Grünalge über deren gesamte Lebensspanne hinweg. Anfangspunkt ihrer Betrachtung war das Alter, in dem Tier, Pflanze oder Alge fruchtbar wurde; als Endpunkt diente jenes Alter, in dem nur noch fünf Prozent aller Individuen lebten.

Der Vergleich brachte so manche Kuriosität ans Licht. Nehmen wir die Süßwasserpolypen: Von allen betrachteten Arten sind sie die einzige, deren Fruchtbarkeit und Sterblichkeit sich im Laufe des Lebens nicht im Geringsten verändert. Außerdem halten die Hydren den Altersrekord. Unter Laborbedingungen, so berechneten die Forscher, wären nach 1.400 Jahren immerhin noch fünf Prozent aller Individuen am Leben. Erstaunliche Eigenschaften legt auch die Kalifornische Gopherschildkröte an den Tag: Für sie sinkt die Wahrscheinlichkeit, in einem bestimmten Alter dahingerafft zu werden, mit jedem zusätzlichen Lebensjahr. Ihre Fruchtbarkeit hingegen nimmt zu. Es ist, als wäre Seneszenz für sie ein Fremdwort.

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Der Mensch ist ein miserables Beispiel

Die Vielfalt der „steigenden, flachen, fallenden, buckligen oder eingedellten“ Kurven, die Sterblichkeit und Fruchtbarkeit bei den verschiedenen Lebewesen beschreiben, sorgt für Ratlosigkeit bei den Wissenschaftlern. Es will sich kein rechtes Muster herauskristallisieren. Zwar steigt bei Säugetieren die Sterblichkeit tendenziell mit zunehmendem Alter stärker an, während sie bei Pflanzen nahezu gleich bleibt oder abnimmt. Andere Wirbeltiere und Wirbellose sind hingegen fröhlich über das gesamte Spektrum verteilt.

Was wir daraus lernen? Offensichtlich taugen bestehende Theorien zur Seneszenz – wie jene, dass der Körper seine begrenzten Ressourcen klug auf Fortpflanzung und Reparatur von Schäden aufteilen muss – nur  begrenzt. „Obwohl hunderte Theorien vorgebracht wurden, um die unmittelbaren Mechanismen des Alterns erklären, stecken Theorien zu den grundlegenden evolutionären Ursachen der unterschiedlichen Alterungsmuster noch in den Kinderschuhen“, schreiben die Forscher. Warum altern manche Arten, während andere keinerlei Anzeichen dafür zeigen? Sind die Kurven für Menschen und Rotiferen, Wasserflöhe und Löwen rein zufällig  so ähnlich, oder waren sie einst vergleichbaren  evolutionären Herausforderungen ausgesetzt? Wir wissen es (noch) nicht.

Vor einem Denkfehler jedenfalls warnen Jones und seine Kollegen: „Forscher sollten sich vor einer anthropozentrischen Intuition in Sachen Altern hüten: Menschen, insbesondere moderne Menschen, stellen in unserer Grafik einen extremen Ausreißer dar.“

 

 

 

 

Quelle:

© wissenschaft.de – Nora Schlüter
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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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