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Reumütige Ratten

Erde|Umwelt

Reumütige Ratten
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Ratten sind nicht nur intelligent, sie empfinden offenbar sogar so etwas wie Reue (thinkstock)
Wenn uns klar wird, dass wir uns falsch verhalten haben oder falsch entschieden, dann empfinden wir Bedauern und Reue. Dieses Gefühl gilt als typisch menschlich – bei Tieren wurde es bisher nicht nachgewiesen. Doch US-Forscher haben nun erstmals Indizien dafür entdeckt, dass Ratten ebenfalls Reue empfinden können. Im Experiment sprachen ihr Verhalten und ihre Hirnaktivität dafür, dass diese eher unbeliebten Nager ebenfalls Bedauern empfinden können, wenn sie sich falsch entschieden haben. Reue ist demnach keine rein menschliche Empfindung.

Enttäuschung stellt sich ein, wenn wir erkennen, dass sich unsere Erwartungen nicht erfüllt haben – unser Gegenüber reagiert anders als wir es erhofften oder eine Investition erweist sich als Flop. Das aber ist noch keine Reue, wie Adam Steiner und David Redish von der University of Minnesota in Minneapolis betonen. „Wir empfinden dann Reue, wenn uns klar wird, dass die enttäuschten Erwartungen unsere eigene Schuld sind – das Ergebnis einer falschen Entscheidung oder Handlung.“ Reue ist damit komplexer als bloße Enttäuschung: Es setzt voraus, dass man sich an die entscheidende Situation oder Handlung erinnert und den Zusammenhang zu den Konsequenzen begreift. Studien mit bildgebenden Verfahren zeigen, dass bei uns Menschen dabei der orbitofrontale Cortex besonders aktiv ist – ein Hirnareal, das für die Entscheidungsfindung und die Bildung von Erwartungen wichtig ist. Dieses Areal hat auch bei anderen Säugetieren eine ähnliche Funktion. Ob Tiere aber dazu fähig sind, echte Reue zu empfinden, war bisher unbekannt.

Geduldsproben in der „Restaurant Row“

Um diese Frage zu klären, entwickelten Steiner und Redish ein spezielles Experiment für Ratten. In einer Arena konnten die Ratten dabei vier abgetrennte Zonen betreten, in denen jeweils eine Futtersorte auf sie wartete. Dieses Futter war aber nicht unmittelbar zugänglich, stattdessen ertönte mit dem Betreten dieser Zone ein Ton. Seine Höhe zeigte den Ratten an, wie lange sie waren müssen, bevor der Futterspender aktiv wird – je höher der Ton, desto länger noch die Wartezeit. Die Länge der Wartezeit wechselte dabei nach dem Zufallsprinzip, unabhängig von Zone, Futter oder Verhalten der Ratten. Der Clou dabei: Die Ratten durften jeden Tag nur eine bestimmte Zeit in der „Restaurant Row“ verbringen. „Die Zeit, die eine Ratte mit Warten in einer Zone verbringt, nimmt ihr daher Zeit weg, in weiteren Zonen nach Futter zu suchen“, erklären Steiner und Redish. Während der gesamten Zeit in der Arena wurden die Hirnströme im orbitofrontalen Cortex der Ratten aufgezeichnet.

Wie die ersten Durchgänge zeigten, gab es einen Schwellenwert für die Geduld der Ratten: Betraten sie eine Zone mit einem zu hohen Ton – also einer zu langen Wartezeit, verließen sie diese Zone fast sofort wieder. Die Wartebereitschaft war dabei allerdings umso höher, je beliebter das angebotene Futter war. Die Ratten wägen offenbar ab, ob sich die Wartezeit im Hinblick auf die zu erwartende Futter-Belohnung lohnt, so die Schlussfolgerung der Forscher.

Zeichen für Bedauern

Spannend wurde es, wenn sich eine Ratte gegen das Warten entschied, nur um dann in der nächsten Zone eine noch längere Wartezeit für schlechteres Futter vorzufinden. „Das bedeutet, dass die Ratte eine falsche Entscheidung getroffen hat: Hätte sie in der vorhergehenden Zone nicht abgebrochen, hätte sie besseres Futter in kürzerer Zeit bekommen“, erklären die Forscher. Bei einem Menschen wäre das eine klassische Situation, die Reue und Bedauern hervorruft. Aber war dies auch bei den Ratten der Fall? Wie die Forscher berichten, gibt es dafür tatsächlich Indizien: Die Ratten blickten in dieser Situation auffallend oft zur vorangehenden Zone zurück. Zudem veränderte sich auch ihre Geduldsschwelle in den nächsten Zonen: Sie waren nun bereit, längere Wartezeiten in Kauf zu nehmen ohne den Versuch abzubrechen. Auch die Hirnaktivität veränderte sich: Im orbitofrontalen Cortex zeigten die Hirnströme das gleiche Muster wie in der Futterzone, die die Ratten zu früh verlassen hatten – als würden sie im Geiste diese Situation noch einmal durchspielen.

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„Unsere Ergebnisse deute darauf hin, dass die Ratten tatsächlich etwas der menschlichen Reue Ähnliches empfanden“, konstatieren die Forscher. Sowohl das Verhalten als auch die Hirnaktivität der Tiere deuten ihrer Meinung nach darauf hin, dass es sich nicht um bloße Enttäuschung handelt, sondern dass die Ratten ihre vorherige Entscheidung als falsch erkennen. „Sie blicken zurück und bedauern eine verpasste Chance“, so Steiner und Redish. Sollte sich dies bestätigen, wäre der Mensch nicht das einzige Tier, das Reue empfinden kann.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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