Arion lusitanicus, wie ihr wissenschaftlicher Name lautet, ist mittlerweile die häufigste Schneckenart in Deutschland. Sie hat einen ausgesprochen schlechten Ruf: Die Spanische Wegschnecke wird sogar auf der Liste der europäischen „100 of the worst“ Tier- und Pflanzenarten geführt. Experten zufolge vermehrt sie sich explosionsartig und verdrängt die einheimische Schwarze Wegschnecke. Denn Arion lusitanicus gilt als ein Alien: Sie sei angeblich nach dem Zweiten Weltkrieg durch Obst- und Gemüseimporte von der iberischen Halbinsel nach Zentraleuropa eingeschleppt worden. Forscher des LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F) und der Goethe-Universität sind dieser „Schleimspur“ nun kritisch nachgegangen.
Das Team hat für die Studie an 60 Orten in Europa Schnecken gesammelt und sie bestimmt. Bei dieser Bestandsaufnahme konnten die Forscher kein einziges Exemplar der sogenannten Spanischen Wegschnecke in ihrem angeblichen Herkunftsgebiet finden. „Stattdessen haben wir zahlreiche mit herkömmlichen Methoden nicht bestimmbare, sogenannte kryptische Arten gefunden“, berichtet Studienleiter Markus Pfenninger. Deshalb untersuchten die Forscher die Verwandtschaftsbeziehungen der Tiere zusätzlich mittels genetischen Methoden: „Wir haben einen genetischen Stammbaum erstellt und ihn in Beziehung zur geographischen Verbreitung gesetzt. Die Ergebnisse zeigten uns, warum wir Arion lusitanicus in ihrer angeblichen Heimat nicht finden konnten: Diese Art ist definitiv nicht dort heimisch, sondern bei uns“, so Pfenninger.
Mythos Schnecken-Invasion
Die Invasion gefräßiger Nacktschnecken aus Spanien ist demzufolge ein Mythos, sagen die Forscher. „Vielleicht hat sich diese Schneckenart in den vergangenen Jahrzehnten einfach aufgrund veränderter landwirtschaftlicher Anbaumethoden so stark vermehrt, dass es uns wie eine Invasion erscheint“, erklärt Pfenninger. Damit wären Bekämpfungsmaßnahmen, wie sie im Rahmen einer derzeit diskutierten EU-Verordnung zur besseren Kontrolle, Eindämmung und Bekämpfung invasiver Arten beschlossen werden sollen, gar nicht auf diese Tierart anzuwenden. „Bei schlecht dokumentierten Einwanderungen wie bei der Spanischen Wegschnecke müssen wir mit dem Begriff ,invasiv‘ künftig vorsichtiger sein, denn diese Einstufung hat konkrete Auswirkungen auf die Umweltpolitik“, sagt Pfenninger.
In Europa gibt es Schätzungen zufolge über 12.000 verschleppte Pflanzen-, Tier- und Pilzarten, und es werden immer mehr. Die Folgen sind ein Verlust biologischer Vielfalt und die Verdrängung heimischer Arten sowie immense wirtschaftliche Schäden, beispielsweise durch Ernteverluste. Im April 2014 befürwortete das EU-Parlament daher Maßnahmen, die künftig verhindern sollen, dass noch mehr Arten verschleppt werden. Darüber hinaus sollen die bereits eingewanderten Arten wirksamer bekämpfen werden. Doch wie sich nun herausgestellt hat, fällt Arion lusitanicus eben nicht in diese Kategorie.