Kenny Breuer von der Brown University in Providence und seine Kollegen sind dem Fortbewegungsmechanismus durch eine spezielle Mikroskopier-Technik auf die Spur gekommen. Sie ermöglicht, gezielt einzelne Bakterien zu verfolgen, denn bei herkömmlichen Systemen schwimmen die flinken Mikroben schnell aus dem Blickfeld. Mit dieser Tracking-Methode beobachteten die Forscher Bakterien der Art Caulobacter crescentus, die in wässrigen Lösungen umher schwammen. Für ihre Fortbewegung besitzen sie eine einzelne Geißel als Antriebsorgan, ähnlich wie eine Spermazelle.
Mit diesem sogenannten Flagellum kann Caulobacter Vorwärts- und Rückwärtsgang einlegen: Das wirbelnde Anhängsel erzeugt je nach Gangart Schub- oder Zugkraft. In diesem Zusammenhang stellten die Forscher zunächst etwas Unerwartetes fest, berichtet Breuer: „Die Bakterien bewegten sich vorwärts schneller als rückwärts – das überraschte uns sehr, denn den Gesetzen der Physik zufolge müsste die Bewegung des Flagellums in beide Richtungen gleiche Wirkung zeigen“. So machten sich die Wissenschaftler auf die Suche nach der Ursache für diesen Effekt.
Körperbewegungen verschaffen Schubkraft
Im Zuge dieser Nachforschungen entdeckten sie dann den bisher unbekannten Mechanismus: Während der Fortbewegung verhält sich der Zellkörper des Bakteriums als ob es sich durch eine unsichtbare spiralförmige Röhre bewegen würde, erklären sie. Durch mathematisch Modelle konnten Breuer und seine Kollegen belegen, dass die Körperbewegungen dem Bakterium tatsächlich Schub verschaffen. Im Rückwärtsgang ist das Verhalten schwächer ausgeprägt, stellten die Forscher fest. Das erklärte, warum die Mikroben vorwärts schneller unterwegs sind als rückwärts.
„Nach unserer Kenntnis haben wir erstmals gezeigt, dass auch der Zellkörper von Bakterien an ihrer Fortbewegung beteiligt sein kann“, sagt Breuer. „Bisher nahm man an, die Zelle sei nur die Last, die es zu bewegen gilt. Wir konnten hingegen zeigen, dass sie einen Beitrag zur Fortbewegung leisten kann.“ Ihm zufolge könnte diese Erkenntnis neues Licht auf die Frage werfen, warum manche Bakterien so eigenartige Körperformen besitzen. Deshalb wollen die Forscher nun auch das Schwimmverhalten anderer Bakterienarten untersuchen – und zusätzlich, wie sie sich in unterschiedlichen Medien verhalten, beispielsweise in Schleim. „All das könnte erklären, wie sich Bakterien unter bestimmten Bedingungen fortbewegen und das liefert möglicherweise wiederum wichtige Informationen über das Ausbreitungsverhalten von Krankheitserregern“, sagt der Wissenschaftler.