Das Problem ist immer das Gleiche: Überall dort, wo menschliche Siedlungen oder Felder an die Lebensräume von Wildtieren grenzen, gibt es Konflikte. Ob Wildschweine in den europäischen Großstädten oder Elefanten und Affen in Afrika – eingeengt durch ihren immer kleiner werdenden Lebensraum und von Futtermangel getrieben, dringen die Wildtiere in Felder und Gärten ein und fressen das angebaute Gemüse, Getreide oder Obst. Seltsamerweise wurden Schimpansen jedoch bisher eher selten bei solchen Raubzügen beobachtet, obwohl auch sie in vielen Gebieten unter Platz- und Nahrungsmangel leiden. „Ob die Schimpansen flexibel genug sind, ihr Verhalten an die schnellen Veränderungen ihres Habitats anzupassen, könnte jedoch für ihr Überleben entscheidend sein“, erklären Sabrina Krief vom Nationalen Museum für Naturgeschichte in Paris und ihre Kollegen.
Die Forscher haben daher untersucht, ob die Schimpansen tatsächlich keine Raubzüge unternehmen, oder ob sie dabei vielleicht einfach raffinierter vorgehen als Elefanten und andere Wildtiere. Für ihre Studie stellten die Biologen im Kibale Nationalpark in Uganda Videofallen an einem Maisfeld auf, das direkt an ein von Schimpansen bewohnten Waldstück grenzte. Schon zuvor hatte man dort ab und zu Reste von angenagten Maiskolben und Schimpansenspuren gefunden, die Tiere aber nie auf frischer Tat ertappt. Etwa einen Monat lang zur besten Reifezeit der Maiskolben überwachten die Forscher daher mit Hilfe der Infrarotkameras und Mikrophonen das Geschehen.
Maisdiebstahl als Familienausflug
Das Ergebnis überraschte selbst die erfahrenen Schimpansenforscher: In 14 von den 20 Nächten der Beobachtung drangen tatsächlich Schimpansen in das Maisfeld ein. Zu einer Zeit, in der sie eigentlich längst in ihren Schlafnestern liegen müssten, taten sich ganze Gruppen der Menschenaffen im Feld an den Maiskolben gütlich – und das in völliger Dunkelheit. Denn wie die Forscher berichten, fanden die meisten dieser Raubzüge bei Neumond oder bestenfalls sichelförmigem Mond statt. „Unseres Wissens nach ist dies der erste Bericht über lange, wiederholte nächtliche Aktivitäten einer Menschenaffenart außerhalb von hellen Vollmondnächten“, konstatieren Krief und ihre Kollegen. Solche Raubzüge nach Sonnenuntergang seien zuvor völlig unbekannt gewesen.
Überraschend war aber auch das Verhalten der Schimpansen während dieser Raubzüge: Die Forscher hatten erwartet, dass die Menschenaffen nur mit einer Art Stoßtrupp aus erwachsenen Männchen in das Feld eindringen und sich dabei eher still und sehr wachsam verhalten würden. Aber nichts dergleichen. Die Schimpansen verhielten stattdessen eher wie bei einem Familienausflug: Selbst Weibchen mit noch sehr kleinen Jungen und durch alte Verletzungen stark hinkende Männchen gingen mit ins Feld. Mit durchschnittlich acht Mitgliedern waren die Raubtrupps sogar größer als die Gruppen, die normalerweise im Wald gemeinsam auf Nahrungssuche gingen. Auch die Angst vor dem Erwischtwerden – tagsüber durchaus stark ausgeprägt – schien im Schutze der Dunkelheit schwächer zu sein: Die Schimpansen waren nicht sonderlich still und einige nutzten den Ausflug sogar, um am Feldrand zu kopulieren oder Fellpflege zu betreiben.
Nach Ansicht der Forscher belegen diese Beobachtungen, dass wilde Schimpansen sehr viel raffinierter und anpassungsfähiger sind als man es ihnen bisher zugetraut hatte. Sie haben offenbar gelernt, dass sie tagsüber leicht von Menschen im Feld erwischt werden und weichen daher auf die Nacht aus – eine für sie sehr ungewöhnliche Zeit. Gleichzeitig scheinen sie zu wissen, dass sie im Schutze der Dunkelheit sicherer sind und verhalten sich daher bei ihren Raubzügen sogar relativ entspannt. Auch wenn bisher nicht klar ist, ob sich auch Schimpansen in anderen Gebieten auf ähnliche Weise zusätzliches Futter besorgen. Für ihr Überleben und ihre Fähigkeit, trotz schwindender Lebensräume klarzukommen, ist dies eine eher ermutigende Erkenntnis.
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