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Wer hat Angst vorm rollenden Rover?

Erde|Umwelt

Wer hat Angst vorm rollenden Rover?
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Der als Pinguinbaby getarnte Rover im Einsatz (Le Maho, et. al.)
Das Herz beginnt zu rasen, Stresshormone setzen die Energiereserven des Körpers frei, alles ist bereit für Kampf oder Flucht: Wie andere Wildtiere auch reagieren Pinguine sehr empfindlich auf menschliche Eindringlinge. Wer sie in ihrem natürlichen Lebensraum erforschen will, setzt sie deshalb zwangsläufig Stress aus – im Extremfall mit fatalen Folgen. So kann die Präsenz von Forschern unter anderem den Bruterfolg der Vögel gefährden. Eine Lösung für dieses Problem könnten laut einer aktuellen Studie kleine rollende Fahrzeuge sein: Ferngesteuerte Rover scheinen die Pinguine weitaus weniger zu stören als Menschen.

Wie kann man sich wilden Tieren annähern und sie gleichzeitig so wenig wie möglich stören? Diese Problematik stellt für Tierforscher auf der ganzen Welt eine methodische Herausforderung dar. Denn unnötiger Stress schadet zum einen den Tieren, zum anderen bekommen Forscher auf diese Weise nur verzerrte Ergebnisse über deren natürliches Verhalten. Schließlich befinden sich die Tiere aufgrund der Störenfriede in ihrem Territorium in einer belastenden Ausnahmesituation. Eine mögliche Lösung für dieses Problem ist der Einsatz sogenannter RFID-Chips. Einmal gechippt lassen sich Tiere damit unter anderem ein Leben lang  identifizieren und lokalisieren. Der Vorteil: Der Implantationsvorgang geht schnell, verletzt nicht und ist ohne Betäubung durchführbar. Danach können die Daten des Chips jederzeit ausgelesen werden – ohne dass die Tiere dafür jedes Mal eingefangen werden müssen.

Doch auch für das Auslesen der Daten ist eine gewisse Annäherung nötig, weil die Reichweite moderner Lesegeräte lediglich etwa 60 Zentimeter beträgt. Ein Team um den Biologen Yvon Le Maho von der Universität Straßburg hat deshalb die Idee entwickelt, zu diesem Zweck ferngesteuerte Rover einzusetzen. Die Wissenschaftler testeten, wie brütende Königspinguine auf einen mit einer RFID-Antenne ausgestatteten Rover reagieren, der sich in ihrer Kolonie bewegt. Könnte es sein, dass so ein Gefährt die Vögel weniger stört als ein menschlicher Beobachter?

Flucht mit Ei

Tatsächlich sind die Ergebnisse eindeutig: Wenn ein Rover zum Einsatz kommt, fallen die Stressreaktionen der Pinguine signifikant geringer aus. Zwar reagierten die Vögel auch auf das kleine Fahrzeug unruhig und attackierten es. Dabei blieb ihre Herzfrequenz – ein guter Indikator für Stress – jedoch im Schnitt viermal niedriger als bei der Annäherung durch einen Menschen. Lief ein Forscher gezielt auf einen brütenden Pinguin zu, versuchte dieser sich stets samt seinem Ei zurückzuziehen. Die brütenden Männchen verließen dabei teilweise sogar ihr etwa ein Quadratmeter großes Territorium und drangen in die Territorien ihrer Nachbarn ein. Das wiederum führte zu Streit und Chaos in der Kolonie.

Fuhr ein Rover auf sie zu, bewegten sich die Vögel hingegen weitaus weniger und blieben immer innerhalb ihres eigenen Territoriums. Außerdem schlug der Rover den Menschen in einem weiteren Punkt: Sobald das Fahrzeug still stehen blieb, verhielten sich die Tiere wieder normal und waren entspannt. Ein Forscher schaffte das nicht. Verharrte er ruhig, sank die Herzfrequenz der Pinguine zwar langsam und kontinuierlich. Sie blieb jedoch stets über dem Normalwert.

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Technik im Pinguinkleid

Zusätzlich testeten Le Maho und seine Kollegen den Rover auch an den eher scheuen Kaiserpinguinen. Knapp 30 Prozent der untersuchten Vögel reagierten auf das ungewohnte Fahrzeug zunächst extrem alarmiert. Mit einem Verkleidungstrick konnten jedoch auch die schüchternsten Tiere überlistet werden: Mit einem als Pinguinküken getarnten Rover verhielten sich alle Kaiserpinguine ruhig und ließen das Fahrzeug nah heranfahren. Manche versuchten sogar mit dem gefiederten Gefährt zu kommunizieren.

Dass Rover nicht nur ein nützliches Werkzeug für die Erforschung von Pinguinen sein können, zeigen die Ergebnisse von Pilotstudien an Südlichen See-Elefanten. Die großen Robben lassen ohne auffallende Reaktionen zu, dass Rover sich sowohl ihren Köpfen als auch ihren Schwänzen nähern – für einen Menschen wäre das undenkbar. Für Le Maho und sein Team ist deshalb klar: Der Einsatz von Rovern ist ein weniger störender und stressfreierer Weg, um Daten von wildlebenden Tieren zu sammeln. In Zukunft, so die Forscher, könne man Rover nicht nur für das Auslesen von RFID-Chips einsetzen, sondern sie beispielsweise auch mit Kameras oder Aufnahmegeräten ausstatten, etwa für Studien zur Vokalisation.  Zudem sei auch eine Anpassung der Fahrzeuge für Forschung im Wasser oder in der Luft denkbar – und die Methode somit nicht nur für die Beobachtung landlebender Tiere relevant.

Quelle:

© wissenschaft.de – Daniela Albat
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