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Chemische Tarnkappe im Korallenriff

Erde|Umwelt

Chemische Tarnkappe im Korallenriff
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Der Orange Feilenfisch ist visuell und olfaktorisch gut an die Korallenumwelt angepasst (Tane Sinclair-Taylor)
Die Fische der Korallenriffe sind für ihre oft knallbunte Färbung bekannt. Das scheint auf den ersten Blick eher ungünstig, erweist sich aber bei näherem Hinsehen durchaus als gute Tarnung in der bunten Korallen-Gesellschaft. Doch mindestens ein Korallenfisch nutzt noch ein weiteres Mittel zur Tarnung: Er riecht genauso wie die Korallen, die er frisst. Sein Geruch ist dadurch sowohl für Raubfische als auch für korallenfressende Krebse nicht von dem der Korallen zu unterscheiden, wie Experimente belegen. Der Fisch ist damit das erste Beispiel für eine ernährungsbedingte olfaktorische “Tarnkappe” bei einem Wirbeltier.

Viele Raubtiere jagen nicht nach Sicht, sondern nach dem Geruch, sie wittern ihre Beute lange bevor sie sie erblicken. Für ihre Beute ist es daher ziemlich vorteilhaft, wenn sie sich eine Art olfaktorische Tarnkappe zulegen. Bei einigen pflanzenfressenden Insekten kennt man solche Formen der chemischen Tarnung bereits. So nehmen die Raupen des in China verbreiteten Schmetterlings Biston robustum den Geruch der Pflanze an, auf der sie leben und an der sie fressen. “Mit dem Futter aufgenommene pflanzenspezifische Verbindungen baut die Raupe in ihre Kutikula ein und dadurch ist sie für räuberische Ameisen schlechter detektierbar”, erklären Rohan Brooker von der James Cook University im australischen Townsville und seine Kollegen. Von anderen Tiergruppen, die weder eine harte Kutikula besitzen, noch auf der Pflanze leben, die sie fressen, war eine solche ernährungsbedingte chemische Tarnung bisher jedoch nicht bekannt.

Korallenfisch als Testobjekt

Brooker und seine Kollegen haben nun im größten und bekanntesten Korallenriff der Erde, dem Great Barrier Reef, gezielt nach einem weiteren Beispiel für eine solche chemische Tarnkappe gesucht. Denn schon länger ist bekannt dass viele Riffbewohner sich auch nach olfaktorischen Signalen in ihrer Umwelt orientieren. “Riff-Fische verlassen sich auf nichtvisuelle Sinne wie den Geruch, um Beute zu finden, aber auch um Fraßfeinden aus dem Weg zu gehen”, erklären die Forscher. Für ihre Studie fingen sie daher mehrere Exemplare des Orangenen Feilenfischs (Oxymonacanthus longirostris) in einem Teil des Great Barrier Reefs ein und hielten die Fische vorübergehend in Meerwasserbecken im Labor der Lizard Island Research Station. Diese orange getupften Fische ernähren sich fast ausschließlich von Steinkorallen der Gattung Acropora und verstecken sich zum Ruhen zwischen den Ästen dieser Korallen. Ihre Musterung bildet dabei eine gute Tarnung – ob dabei auch chemische Tarnung im Spiel ist, wollten die Forscher durch Experimente herausfinden.

Für die Tests wurde die Hälfte der Fische mit Acropora-Korallen gefüttert, die andere mit einer anderen Korallengattung. Nach drei Tagen mussten die Fische einen Tag lang fasten, um auszuschließen, dass sie noch Korallenteile im Darm trugen oder nach Korallen riechenden Kot abgaben. Für den eigentlichen Test wurde entweder ein korallenliebender Krebs oder ein Raubfisch in ein Becken gesetzt, in das an beiden Enden Wasser aus jeweils einem Nachbarbehälter eingeleitet wurde. In einem der Behälter schwamm einer der Korallenfische, im anderen lag ein Stück Koralle – entweder genau die Korallenart, die der Fisch zuvor zu fressen bekommen hatte, oder zur Kontrolle die jeweils andere Korallenart. Die Forscher beobachteten nun, ob die Krebse oder Raubfische sich zu einem der beiden Duft-Auslässe hinbewegten und zu welchem.

Geruchs-Verwirrung

Das Ergebnis: Gehörte die Testkoralle zur gleichen Art wie die zuvor vom Fisch gefressene, sorgte der Körpergeruch der Fische für Verwirrung bei den Testkrebsen und Raubfischen. “Das olfaktorische Signal vom Feilenfisch war dann offenbar so korallenähnlich, dass einige Krebse es nicht von dem der Korallen unterscheiden konnten”, berichten Brooker und seine Kollegen. Auch die Raubfische hatten Schwierigkeiten, anhand des Geruch die Beckenseite mit der Beute zu finden. “Unsere Ergebnisse liefern überzeugende Belege für eine durch das Futter bewirkte chemische Tarnung bei dem Orangenen Feilenfisch”, konstatieren die Forscher. Das Verhalten der Krebse und Raubfische deutet darauf hin, dass diese Fische den Geruch ihres Futters annehmen – zumindest zu einem Teil. Welche Duftstoffe für diese chemische Camouflage verantwortlich sind und wie sie in Haut oder Schleimschicht der Fische gelangen, ist bisher allerdings noch unbekannt.

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“Dies ist das erste Beispiel einer nahrungs-induzierten chemischen Tarnung bei einem Wirbeltier – und es zeigt, dass nichtvisuelle Tarnung in Räuber-Beute-Beziehungen verschiedener Ökosysteme eine wichtige Rolle spielt”, sagen die Forscher. Gerade dort, wo Raubtiere neben der Sicht auch den Geruch nutzen, um ihre Beute aufzuspüren, ist eine Kombination von visueller und chemischer Tarnung eine effektive Anti-Prädator-Strategie. Die Wissenschaftler vermuten daher, dass noch weitere Korallenfische, aber auch andere wasser- und auch landlebende Wirbeltiere sich mit Hilfe ihres Futters olfaktorisch tarnen könnten.

Quelle:

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