Im Zuge des Klimawandels verändert sich auch das Klima der Tropen. Für das Amazonasgebiet bedeutet dies, dass das normale warmfeuchten Klima häufiger durch Trockenperioden unterbrochen wird. In den Jahren 2005 und 2010 erlebte das Amazonasbecken zwei besonders starke Dürren. Erste Studien deuteten darauf hin, dass dabei vermehrt Bäume starben und auch die CO2-Aufnahme des Regenwalds messbar absank. Was dabei aber auf der Ebene der einzelnen Bäume geschieht und wie dies das Wachstum und den Kohlenstoffkreislauf des Waldes beeinflusst, blieb unklar, wie Christopher Doughty von der University of Oxford und seine Kollegen erklären. Ihre Langzeitstudie schließt nun diese Lücke. Denn sie beruht auf Daten, die die Forscher im Laufe von drei Jahren in 13 verschiedenen Waldstücken in drei verschiedenen Ländern im Amazonasbecken erhoben haben.
„Diese Waldstücke sind unsere Kanarienvögel im Kohlenbergwerk: Sie geben uns wichtige Einblicke in die Mechanismen, mit denen diese komplexen Wälder auf den Klimawandel reagieren“, erklärt Koautor Yadvinder Malhi von der University of Oxford. Jedes Waldstück war einen Hektar groß und umfasste 400 bis 500 Bäume. Einige dieser Areale lagen in Gebieten, die von der Dürre im Jahr 2010 stark betroffen waren, andere dagegen blieben verschont. Die Wissenschaftler und ihre Helfer führten in allen Versuchsarealen monatliche Messungen der CO2-Aufnahme und Abgabe, des Blatt- und Holzwachstums und der abgestorbenen Pflanzenteile und Bäume durch. Auf diese Weise konnten sie erstmals direkt auf der Ebene eines Baumes und des Waldes beobachten, wie sich eine Dürre auswirkt.
Wachstum um jeden Preis
Das Ergebnis: Überraschenderweise nahm das Wachstum der Bäume während der Dürre nicht ab, ihre Primärproduktion blieb nahezu gleich hoch. Trotzdem sank die Photosyntheseleistung der Bäume um rund zehn Prozent ab, wie die Forscher berichten. Der Wald nahm dadurch deutlich weniger CO2 auf. „Wenn man unsere Messergebnisse auf das gesamte Amazonasbecken hochrechnet, dann schätzen wir, dass es während der Dürre von 2010 0,38 Petagramm weniger Kohlenstoff aufnahm“, so Doughty und seine Kollegen. Das entspricht 380 Billionen Kilogramm Kohlenstoff. Für die Bäume bedeutet diese Einbuße bei gleichbleibendem Wachstum eine erhebliche Belastung – die sich auch in ihrer Gesundheit niederschlug: In der Trockenperiode und auch noch bis zu zwei Jahre danach starben doppelt so viele Bäume wie unter normalen Bedingungen. Offenbar führte die Konzentration auf das Wachstum trotz mangelnder Energie dazu, dass die Bäume ihre Abwehr gegen Krankheiten und Feinde vernachlässigten und dadurch anfälliger wurden, wie die Forscher erklären.
Für den Regenwald und das Klima ist dies langfristig keine gute Nachricht: „Wenn die Bäume sterben und zersetzt werden, setzt dies Kohlendioxid frei und erhöht die CO2-Werte in der Atmosphäre“, sagt Doughty. „Tropische Dürren könnten so den Klimawandel noch weiter beschleunigen.“ Bleibt die Frage, warum die Bäume ihre Gesundheit opfern, nur um trotz Dürre weiter wachsen zu können. Auch hier haben die Forscher eine Idee: „Diese Strategie ist sinnvoll, wenn man sie aus einem ökologisch-evolutionären Standpunkt aus betrachtet“, erklären sie. Denn wenn ein Baum langsamer wächst, dann bleibt er hinter seinen Konkurrenten im Wald zurück – und das kostet ihn Licht, Wasser und Nährstoffe. Die Baumriesen des Regenwalds müssen daher quasi um ihr Leben wachsen, doch langfristig verlieren sie trotzdem – und unser Klima auch.