Dass Mäuse vorwiegend im Ultraschallbereich kommunizieren, ist schon länger bekannt. Welche Informationen die hohen Laute aber übermitteln, blieb lange unerkannt. Erst seit einigen Jahren zeigen Studien, dass die Mäusemännchen in der Balz sogar relativ komplexe Gesänge von sich geben. Sie bestehen dabei aus Abfolgen bestimmter „Silben“ – ähnlich wie die Gesänge vieler Vögel. Anhand dieser Ultraschall-Gesänge können Mäuseweibchen beispielsweise erkennen, ob es sich um einen ihrer Brüder handelt oder um ein fremdes Männchen. Im Jahr 2013 fanden Forscher heraus, dass es sogar regionale Dialekte bei den Mäusegesängen zu geben scheint: Vor die Wahl gestellt, bevorzugen Weibchen die Männchen, deren Ultraschall-Rufe vertrauter klingen – weil schon ihr Vater ähnliche Gesänge hören ließ.
Unklar ist aber bisher, wie flexibel die Mäuse ihre Gesänge verändern können: Rufen sie nur einprogrammierte Strophen ab oder können sie ihren Gesang individuell und vor allem situationsabhängig verändern? Jonathan Chabout von der Duke University in Durham und seine Kollegen haben letzteres nun in einem Experiment untersucht. Dafür zeichneten sie alle Laute auf, die Mäusemännchen von sich gaben, wenn sie entweder nur den Duft eines Weibchens rochen, oder aber wenn sie diesem Weibchen direkt gegenüber saßen. Mit Hilfe eines speziellen Computerprogramms analysierten die Forscher anschließend die Struktur der Mäusegesänge. Sie ermittelten beispielsweise welche verschiedenen Silben die Tiere nutzten und in welchen Abständen sie aufeinander folgten.
Überraschend flexibel
„Es war überraschend, wie sehr sich die Gesänge in verschiedenen sozialen Zusammenhängen veränderten“, sagt Koautor Erich Jarvis von der Duke University. „Denn bisher galten sie eher als festgelegt.“ Wie sich zeigte, sangen die Mäusemännchen nicht nur lauter, wenn die Angebetete nicht in Sicht war, auch ihre Serenaden waren deutlich komplexer. Brachten sie ihr Ständchen dagegen einer anwesenden Mäusedame dar, dann beschränkten sie sich auf einfachere und leisere Abfolgen – sie säuselten ihr gewissermaßen ins Ohr. „Vermutlich wechselt das Männchen zu einem einfacheren Gesang, damit er Energie spart, um sie gleichzeitig zu umwerben und ihr hinterher laufen zu können“, erklärt Jarvis. Die größere Mühe mit einem komplexeren Gesang lohnt sich aber, um ein Weibchen erst einmal anzulocken. Denn auch das zeigten die Versuche: Je komplexer der Gesang, desto stärker fühlten sich die Weibchen davon angesprochen.
„Es ist klar, dass die Gesangsfähigkeit der Mäuse begrenzter ist als die von Singvögeln oder gar des Menschen“, betont Jarvis. „Aber es ist dennoch bemerkenswert, dass sie die Komplexität ihrer Gesänge so flexibel anpassen können.“ Damit rückt ihre Fähigkeit zumindest in die Nähe der Gesänge vieler Vögel. Ob die Mäuse aber ihre verschiedenen Serenaden durch Lernen verändern können oder ob sie komplett angeboren sind, das müssen nun weitere Studien zeigen. Um das zu erleichtern, haben Wissenschaftler am Institut Pasteur in Frankreich eigens ein „MouseTube“ eingerichtet – eine Plattform, auf der Mäuseforscher die Gesänge ihrer vierbeinigen Probanden hochladen und ihre Kollegen zur Verfügung stellen können.