Der Atlantische Nordkaper ist eine der gefährdetsten Arten unter den Bartenwalen. Die bis zu 100 Tonnen schweren Kolosse gehören zur Gruppe der Glattwale und bevölkerten einst mit Bestandesdichten von geschätzten 100.000 Tieren den Nordatlantik einschließlich der Küsten Europas. Der Walfang änderte dies radikal: Bis auf wenige Tiere wurde die gesamte Population abgeschlachtet. Trotz des Schutzes seit 1930 haben sich die Bestände bisher kaum erholen können: Heute gibt es noch rund 450 Individuen, die sich meist vor der Ostküste Nordamerikas aufhalten. Warum sich die Nordkapper im Gegensatz zu anderen Arten nach dem Ende des Walfangs nicht wieder vermehrt haben, ist derzeit eine offene Frage.
Ziel: Die Nordkaper sollen sich erholen
Klar scheint: Die Schifffahrt und die Fischerei stellen für den Nordkaper eine besonders intensive Bedrohung dar. Da sie ausgesprochen langsam schwimmen und sich oft in Küstennähe aufhalten, kommt es häufig zu tödlichen Unfällen. Um sie besser erforschen und schützen zu können, wäre es deshalb hilfreich, über den Aufenthaltsort und die Wege einzelner Tiere Bescheid zu wissen. Die aktuellen Erkenntnisse der Forscher um Jessica McCordic von der Syracuse University in New York könnten dazu nun beitragen.
In ihrer Studie gingen sie gezielt der Frage nach, ob die Stimmen der Nordkaper individuelle Merkmale besitzen, ähnlich wie dies beim Menschen der Fall ist. Sie analysierten dazu Aufnahmen von Lauten einzelner Tiere mit speziellen Soundprogrammen am Computer. Nordkaper geben sechs unterschiedliche Rufe von sich, erklären die Forscher. Unter ihnen ist der sogenannte “Upcall” der häufigste und charakteristischste. Er dauert ein bis zwei Sekunden und verkündet vermutlich die Botschaft “Hallo hier bin ich”, um mit Artgenossen in Kontakt zu treten.
Jeder Wal klingt anders
Die Sound-Analysen der Forscher kamen zu dem Ergebnis: Frequenz-Variationen, Eigenschaften der sogenannten Formanten des Rufs und vor allem die Dauer bestimmter Töne unterscheiden sich von Tier zu Tier. Der Upcall eines Nordkapers ist also wie ein klingender Fingerabdruck. So gelang es den Forschern anhand der zur Verfügung stehenden Aufnahmen, 13 Wale in einem Test erfolgreich voneinander zu unterscheiden. “Das war wirklich ein aufregendes Ergebnis”, sagt McCordic.
Als Nächstes wollen die Forscher ihre Erkenntnisse in der freien Wildbahn umsetzen: Sie wollen herausfinden, ob sich die Wale durch Aufnahmen von Unterwassermikrophonen in ihrem Lebensraum identifizieren lassen. Wenn sich auf diese Weise ein Überwachungsnetz etablieren ließe, mit dessen Hilfe man die Tiere besser verorten könnte, wäre dies ein wichtiges Mittel zum Schutz der Norkaper, sagen McCordic und ihre Kollegen. Vielleicht erholen sich ihre Bestände dann doch eines Tages wieder und die Menschheit könnte somit Wiedergutmachung leisten für die beinahe Ausrottung dieser faszinierenden Meeresriesen.