Überraschender Fund zur Mittagszeit
Im Oktober 2011 dann die erste Überraschung: Eine Routinepatrouille im mittlerweile zum Naturschutzgebiet erklärten Hulesee-Gebiet stieß auf ein adultes Froschmännchen, das dem ausgestorbenen Scheibenzüngler verblüffend ähnelte. Das Tier saß mitten am Tag neben einem kleinen Tümpel, wie Rebecca Biton von der Hebräischen Universität Jerusalem und ihre Kollegen berichten. Bei näheren Untersuchungen stellte sich heraus, dass es sich tatsächlich um die totgeglaubte Froschart handelte. Im gleichen Gebiet sichteten die Forscher kurze Zeit später noch zehn weitere lebende Exemplare – offenbar hatte der Scheibenzüngler doch überlebt.
Um ganz sicherzugehen, dass es sich tatsächlich um Discoglossus nigriventer handelte, haben Biton und ihre Kollegen nun in ihrer aktuellen Studie einigen der neu aufgefundenen Frösche Gewebeproben entnommen und daraus die DNA dieser Spezies isoliert. Diese verglichen sie mit Proben anderer Arten aus der Gattung Discoglossus und weiteren entfernter verwandten Froschspezies. Außerdem unterzogen sie auch die Anatomie dieser Art nochmals einer genauen Analyse mittels Mikrotomografie und verglichen sie mit einigen modernen und fossilen Vertretern ähnlicher Frösche.
Ein klarer Fall von falscher Identität
Prompt folgte die zweite Überraschung: Denn offenbar war der schwarzbäuchige Scheibenzüngler von Anfang an falsch eingeordnet worden, wie die Forscher berichten. Sowohl das Erbgut als auch einige Merkmale im Körperbau sprechen dafür, dass dieser Frosch keineswegs zur Gattung Discoglossus gehört wie bisher angenommen. “Stattdessen ist er der einzige noch lebende Vertreter der fossilen Gattung Latonia – mit anderen Worten: ein lebendes Fossil”, so Biton und ihre Kollegen. Diese Frösche waren vor rund 20 Millionen Jahren in Europa und im Nahen Osten weit verbreitet, wie Fossilfunde belegen. Vor rund einer Million Jahren aber verschwand Latonia abrupt. Es seien von dieser Zeit an keine Fossilien dieser Gattung mehr in den Sedimentgesteinen gefunden worden. Möglicherweise habe eine damals stattfindende Abkühlung und zunehmende Vergletscherung des Kontinents das Aussterben der Latonia-Arten ausgelöst, mutmaßen die Forscher.
Jetzt aber zeigt sich, dass zumindest ein Vertreter dieser vermeintlich verschwundenen Urzeit-Frösche doch überlebt hat: der totgeglaubte schwarzbäuchige Scheibenzüngler. Er erhält daher nun den Namen Latonia nigriventer. “Das Überleben dieses lebenden Fossils zeigt, wie widerstandsfähig einige Amphibien sein können, selbst wenn ihr Lebensraum fast vollständig zerstört wird”, konstatieren Biton und ihre Kollegen. Gleichzeitig mache es die wenigen noch existierenden Exemplare dieser Art noch wertvoller und schützenswerter. Immerhin könnte den Fröschen, die bis heute am halb ausgetrockneten Hulesee durchgehalten haben, eine etwas bessere Zukunft bevorstehen. Denn es gibt Pläne, zumindest einen Teil des Huletals wieder zu fluten, um das Feuchtgebiet zu erhalten – und mit ihm seine einzigartigen Bewohner.