Der unscheinbare Zwerg-Wasserschlauch weckt aber nun Zweifel an dieser Annahme. Denn obwohl diese Pflanze keineswegs simpel gestrickt ist und im Laufe ihrer Evolution sogar drei Mal ihr gesamtes Genom verdoppelte, besitzt sie so gut wie keine Junk-DNA. Diesen überraschenden Fakt deckten nun Enrique Ibarra-Laclette vom Nationalen Gen- und Biodiversitätslabor (LANGEBIO) im mexikanischen Guanajuato und seine Kollegen auf. Sie hatten erstmals das Erbgut des Zwerg-Wasserschlauchs komplett sequenziert und waren dabei auf gleich mehrere unerwartete Merkmale gestoßen.
Erbgut radikal ausgemistet
Die erste Überraschung war die extrem geringe Größe des Genoms: Es besteht nur aus rund 80 Millionen Basenpaaren und ist damit das kleinste bekannte bei einer mehrzelligen Pflanze. Die zur gleichen Ordnung gehörenden Verwandten des Zwerg-Wasserschlauchs wie Weintraube oder Tomate sind um ein Mehrfaches größer, sie warten mit immerhin 490 bis 780 Millionen Basenpaaren auf.
Aber das war noch nicht alles: “Erstaunlicherweise enthält das Genom von Utricularia gibba trotz dieser geringen Größe rund 28.500 Gene – und damit sogar etwas mehr als die Weintraube und nur etwas weniger als die Tomate”, berichten die Forscher. Gemessen an den Genen ist der Zwerg-Wasserschlauch demnach völlig normal bestückt. Die fleischfressende Pflanze hat ihr Erbgut offenbar bis auf das Allernötigste reduziert – übrig blieben fast nur die proteinkodierenden Gene und ein paar kleine, für die Genregulation zuständigen Zwischenabschnitte. Die normalerweise den größten Anteil ausmachende Junk-DNA ist dagegen bis auf drei Prozent des Gesamt-Erbguts zusammengeschrumpft.
Wie stark der Drang nach Verkleinerung bei dieser Pflanze war, zeigt sich auch an ihrer Evolution: Denn insgesamt drei Mal im Laufe ihrer Stammesgeschichte verdoppelte sie ihr gesamtes Genom – nur um den Großteil der überschüssigen Kopien hinterher wieder abzuschaffen. “Diese an Duplikationen reiche Geschichte zeigt, wie konsequent diese Pflanze nicht-essenzielle DNA beseitigt hat”, erklärt Studienleiter Luis Herrera-Estrella vom LANGEBIO. Das aber bedeute auch, dass eine mehrzellige, komplex aufgebaute Pflanze mit zahlreichen verschiedenen Organen, Geweben und Zellen durchaus ohne Junk-DNA auskomme. “Diese wird – entgegen gängiger Annahme – demnach keineswegs immer gebraucht”, konstatiert der Forscher. Es gebe offenbar durchaus alternative Evolutions-Strategien, die dazu führen, dass die Steuerelemente für die Genregulation kompakt inmitten der Gene sitzen, statt in die nichtkodierenden DNA-Bereiche ausgelagert zu werden.