Der Schlaf ist der kleine Bruder des Todes, heißt es, denn der Mensch verliert bei diesem lebenswichtigen Verhalten größtenteils sein Bewusstsein. Doch für Delfine gilt das nicht, wie US-Forscher nun erneut eindrucksvoll zeigen konnten: Die bereits bekannte Fähigkeit, mit nur einer Hirnhälfte schlafen zu können, während die andere wacht, befähigt die Tiere demnach sogar mindestens 15 Tage lang, ununterbrochen anspruchsvolle Aufgaben mittels ihres Echolots zu bewältigen.
Das faszinierende Schlafverhalten der Delfine ist bereits seit einiger Zeit bekannt. Aufzeichnungen der Hirnströme der Meeressäuger hatten offenbart, dass sie niemals ganz schlafen: Wenn die Tiere ruhen, zeigt immer nur eine Hirnhälfte die typischen Aktivitätsmuster von Schlaf, die Hirnströme der anderen spiegeln dagegen einen Wachzustand wider. Ein Auge bleibt dabei ebenfalls immer offen, die Tiere schwimmen zum Atmen an die Wasseroberfläche und reagieren auch auf Signale in ihrer Umwelt. Bisher war allerdings unklar, inwieweit Delfine im Rahmen dieses Zustandes noch zu höheren Verstandesleistungen in der Lage sind. Dies testeten die Forscher um Brian Branstetter von der National Marine Mammal Foundation in San Diego nun anhand von Aufgaben, die die Tiere mittels ihres komplexen Echolot-Systems lösen mussten.
Ununterbrochene Echoortung
Die Unterwasserwelt ist oft dunkel und trüb ? ihr Echolot-System ermöglicht Delfinen hier dennoch die Orientierung. Die Meeressäuger senden hochfrequente Töne aus, deren Echo ihnen Informationen über Objekte in der umliegenden Unterwasserwelt liefert. Für ihre Studie hatten die Forscher drei Delfinen in einer Versuchsanlage beigebracht, mit ihrem Echolot gezielt nach Objekten zu suchen. Die Gegenstände tauchten zu zufälligen Zeiten an unterschiedlichen Orten des Beckens auf. Die Tiere mussten also den Raum fortlaufend mit ihrem Echolot scannen. Hatten sie ein Objekt entdeckt, schwammen sie zu einem Sensor, lösten ihn aus und bekamen eine Belohnung. Mit zwei der Tiere führten die Forscher den Versuch 5 Tage lang durch, mit dem dritten sogar 15 Tage.
Dabei zeigte sich, dass die Tiere keine Pausen beim Echolot-Scannen des Beckens machten und das ununterbrochene Spiel ermüdungsfrei absolvierten. Den Forschern zufolge legt dies nahe, dass die Delfine auch in Ruhephasen zu dieser Leistung in der Lage waren. Demnach sichert der ?Halbschlaf? nicht nur das Luftholen, sondern befähigt die Tiere sogar zu komplexen Verhaltensweisen. Vermutlich können sie ihre Umwelt sogar ununterbrochen, also nicht nur 15 Tage, bewusst untersuchen, sagen die Wissenschaftler.
Brian Branstetter (National Marine Mammal Foundation in San Diego) et al.: PLOS ONE, doi: 10.1371/journal.pone.0047478 © wissenschaft.de ?
Martin Vieweg