Die Wissenschaftler wollten mit ihrer Studie nun zwei konkurrierende Theorien auf den Prüfstand stellen: Zum einen die These, dass die körperliche Belastung durch die Mehrlingsschwangerschaft von Frauen einen Tribut fordert ? in diesem Fall sollten Zwillingsgeburten mit einer insgesamt reduzierten Fruchtbarkeit und vielleicht sogar einer erhöhten Sterberate einhergehen. Zum anderen gibt es die Annahme, dass Zwillinge von Frauen mit einer überdurchschnittlich guten Gesundheit ausgetragen werden. Sollte das zutreffen, müsste sich diese überragende Gesundheit auch in anderen Lebensbereichen auswirken, postulieren die Forscher.
Die Wissenschaftler nutzten für ihre Erhebung eine wohl einzigartige Sammlung von Daten: In der „Utah Population Database“ sind insgesamt 1,6 Millionen Menschen erfasst, die zwischen 1800 und Mitte der 1970er Jahre in den US-Bundesstaat Utah eingewandert sind oder von solchen Einwanderern abstammen. Robson und Smith konzentrierten sich auf zwischen 1807 und 1899 geborene Frauen, die Kinder bekommen hatten ? zu einer Zeit also, als es noch keine Fruchtbarkeitsbehandlungen oder Verhütungsmittel gab, die die Rate an Zwillingsgeburten künstlich veränderten. Dabei legten sie strenge Kriterien an: Die Frauen mussten mindestens ihr 50. Lebensjahr überlebt haben und durften weder verwitwet noch mit mehr als einem Mann verheiratet gewesen sein. In dieser Gruppe habe es 4.603 Zwillingsmütter gegeben und 54.183 Mütter, die ihre Kinder eines nach dem anderen bekamen.
Die Auswertung der Daten sprach gegen die These, dass Zwillingsgeburten den Körper sozusagen auslaugen: Das Sterberisiko während eines bestimmten Jahres war bei den Zwillingsmüttern niedriger ? um 7,6 Prozent, wenn nur die Frauen berücksichtigt wurden, die vor der Verbreitung eines städtischen Lebensstil um das Jahr 1870 geboren worden waren und um 3,3 Prozent bei den restlichen Müttern. Zudem hatten Mütter von Zwillingen auch insgesamt mehr Kinder, die Geburten folgten schneller aufeinander, und ihre fruchtbare Phase war ebenfalls um vier beziehungsweise elf Monate länger als die von Frauen, die nur Einzelgeburten hatten.
Betrachte man dieses Ergebnis rein aus Sicht der Evolution, scheine ein Mehrfach-Eisprung und die folgende Empfängnis und Geburt von Zwillingen eine Fortpflanzungsstrategie zu sein, die unter sehr günstigen Bedingungen vorkommen könne ? in diesem Fall bei überdurchschnittlicher Gesundheit der Mutter, schreiben die Forscher. Etwas Ähnliches habe auch bereits eine finnische Studie gezeigt: Zwillinge gingen in der Vergangenheit immer dann mit einer auch insgesamt höheren Fruchtbarkeit der Mutter einher, wenn die Zeiten gut waren und ausreichend Nahrung zur Verfügung stand. Gab es dagegen eine Hungersnot, hatten Zwillingsmütter meist eher weniger Kinder als der Durchschnitt.
So statistisch eindeutig und biologisch relevant diese Daten auch sein mögen, die Formulierungen der Forscher selbst irritieren ein bisschen: Sie sprechen von einer „hohen Qualität des mütterlichen Phänotyps“ und davon, dass die Zwillingsmütter ihre Geschlechtsgenossinnen bei der körperlichen Leistungsfähigkeit „übertreffen“. So seien Frauen mit Zwillingen auch häufig größer und in besserer körperlicher Verfassung. Zudem stellt sich beim Lesen eine Frage, die die Forscher nicht wirklich beantworten können: Hätte es den Zusammenhang auch dann noch gegeben, wenn man auch Frauen erfasst hätte, die vor ihrem 50. Lebensjahr gestorben sind? Schließlich wären in dieser Gruppe eventuell Zwillingsmütter zu finden gewesen, die die körperliche Belastung nicht einfach wegstecken konnten und frühzeitig starben.