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Wie man aus Tintenfischen Kampfhähne macht

Erde|Umwelt

Wie man aus Tintenfischen Kampfhähne macht
Friedliche Tintenfischmännchen werden ganz plötzlich zu aggressiven Kämpfern, sobald sie mit den Eiern eines Weibchens in Kontakt kommen. Verantwortlich dafür ist ein Botenstoff – ein sogenanntes Pheromon -, das die Weibchen in die äußere Hülle der Eier einbauen, hat ein Team aus australischen, US-amerikanischen und thailändischen Wissenschaftlern herausgefunden. Eine kurze Berührung der Eier reicht dann aus, um bei den Männchen ein ausgeprägten Aggressionsverhalten gegenüber männlichen Artgenossen auszulösen. Es sei äußerst ungewöhnlich, dass ein einziger Signalstoff in der Lage ist, eine derart komplexe Verhaltensänderung hervorzurufen, sagen die Forscher. Normalerweise seien dazu verschiedene hormonelle, neuronale und psychologische Auslöser notwendig. Interessanterweise gehört das Pheromon zu einer Eiweißfamilie, die auch bei Wirbeltieren und dem Menschen vorkommt. Welche Funktion sie dort hat, ist allerdings noch unbekannt, schreiben Scott Cummins von der University of the Sunshine Coast im australischen Maroochydore und seine Kollegen.

Kalmare gehören zu den zehnarmigen Tintenfischen. Obwohl sie zu den Wirbellosen zählen, haben sie ein ähnlich komplexes Paarungsverhalten wie Wirbeltiere. Die von den Wissenschaftlern untersuchte Art Loligo pealeii lebt normalerweise in den tiefen Gewässern vor den Küsten von North Carolina bis Maine, wandert im Frühling jedoch zur Partnersuche in seichtere Gewässer. Dort paaren sich die Weibchen über mehrere Tage hinweg mit mehreren Männchen, welche wiederum heftig gegeneinander um die Weibchen kämpfen. Da die Weibchen mehrmals Eier ablegen, sind Eier für die Männchen ein eindeutiges Anzeichen dafür, dass fruchtbare Weibchen in der Nähe sind. Männliche Kalmare schwimmen daher auf die Eier zu, sobald sie welche erspähen.

Wenn die Männchen die Eier berühren, vollzieht sich ein erstaunlicher Wandel in ihrem Verhalten, beobachteten die Forscher: Die zuvor friedlichen Tiere gehen plötzlich zu aggressivem Verhalten über – selbst wenn gar kein Weibchen in der Nähe ist. Bei der Suche nach dem Grund dafür stießen die Wissenschaftler dann in der Eihülle auf das Pheromon, das im Fortpflanzungstrakt der Weibchen produziert und an die Eier geheftet wird. Um die Wirkung des Signalstoffs genauer zu charakterisieren, isolierten die Biologen das Pheromon und präsentierten es männlichen Kalmaren im Labor. Dazu bestrichen sie eine durchsichtige Glasampulle mit dem Stoff, in der sich Kalmareier befanden. Die Männchen zeigten das gleiche aggressive Verhalten, sobald sie mit dem Pheromon in Berührung kamen, beobachteten die Wissenschaftler. War die eiergefüllte Ampulle nicht behandelt, blieben die Kalmare dagegen friedlich.

Es sei sehr ungewöhnlich, dass ein einzelnes Molekül ein ganzes Verhaltensmuster auslösen könne, schreiben die Forscher. Während die Eier als erster visueller Reiz die Männchen anlocken, wirkt das Pheromon offenbar als chemisch-taktiler Reiz, der innerhalb kürzester Zeit das aggressive Verhaltensmuster anstößt. Den Sinn dahinter erklären sich die Wissenschaftler wie folgt: Die Männchen, die als erste bei den Eiern sind, fangen durch das schnelle Umschalten in den Aggressionsmodus früher als andere an, gegen ihre Rivalen zu kämpfen, und haben dadurch einen gewissen Vorteil. Das wiederum hilft ihnen, eine höhere Stellung in der Hierarchie zu erreichen und damit auch bei den Weibchen eher zu Zuge zu kommen. Die Weibchen hingegen erhalten so den fittesten und stärksten Begattungspartner. Da es bei den Wirbeltieren ebenfalls Proteine gibt, die dem untersuchten Botenstoff stark ähneln, hoffen die Forscher, mit Hilfe ihrer Ergebnisse auch die Funktion dieser Substanzen verstehen zu lernen.

Scott Cummins (University of the Sunshine Coast, Queensland, Australia) et al: Current Biology, doi:10.1016/ j.cub.2011.01.038 dapd/wissenschaft.de – Anke Biester
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