Bei der Auswertung sei als erstes ein ausgeprägter Jahreszeiteneffekt ins Auge gestochen, berichten die Wissenschaftler: Im Winter schliefen die Meisen fast fünf Stunden länger als im Sommer. Die Hauptrolle dabei spielten offenbar Licht und Temperatur, denn auch unabhängig von der Jahreszeit standen Meisen aus kalten, hellen Gebieten früher auf als ihre Artgenossen an wärmeren oder dunkleren Standorten. Wie erwartet, waren fast alle Männchen Frühaufsteher ? schließlich müssen sie durch ihren Gesang mögliche Rivalen vor einem Eindringen in ihr Territorium warnen.
Die Weibchen dagegen neigten eher zu späterem Aufwachen und schliefen im Schnitt eine Viertelstunde länger als die Männchen, vor allem in der Brutperiode. “Das könnte daran liegen, dass die Weibchen zu Beginn der Brutsaison ein höheres Schlafbedürfnis als die Männchen haben, da sie sich physiologisch auf die kräftezehrende Aufgabe des Eierlegens und Brütens vorbereiten müssen”, erläutert Steinmeyer. Vielleicht holen die Langschläfer aber auch einfach verlorenen Nachtschlaf nach: Einige Meisen schliefen extrem unruhig und wachten bis zu 230 Mal pro Nacht auf, wobei sie umherliefen, sich putzten oder ihre Beine streckten. Andere kamen dagegen nur auf 23 Aufwachperioden pro Nacht.
Auch morgens nach dem Aufwachen beobachteten die Forscher deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Tieren: Jüngere Meisen tendierten dazu, allgemein länger im gemütlichen Nistkasten zu bleiben, und auch viele Weibchen brauchten mehr Zeit, bis sie ihr Zuhause verließen als die Männchen. Diese ausgeprägten individuellen Schlafmuster werfen laut den Wissenschaftlern neue Fragen auf ? etwa ob sie vererbt werden oder ob sie den Fortpflanzungserfolg der Tiere beeinflussen.