In ihrer Studie analysierten sie eine bestimmte Gehirnregion des Meeresringelwurms, die für die Verarbeitung von Geruchs- und anderen Sinnesreizen zuständig ist: den so genannten Pilzkörper. Mithilfe einer neu entwickelten Technik gelang es Arendt und seinem Team erstmals, den molekularen Aufbau dieser Gehirnstruktur zu analysieren. ?Der Vergleich der molekularen Fingerabdrücke dem sich entwickelnden Pilzkörper im Wurm mit den verfügbaren Daten von Wirbeltieren war eindeutig?, sagt Arendt. ?Pilzkörper und Großhirn müssen einen gemeinsamen Vorläufer in der Evolutionsgeschichte gehabt haben.? Diese Urstruktur bestand vermutlich aus einer Ansammlung dicht gepackter Zellen, die Geruchsinformationen verarbeitet und zugleich Bewegungen kontrolliert haben.
?Unsere Ergebnisse sind in zweierlei Hinsicht verblüffend?, erläutert Arendt. ?Erstens ist das Großhirn wesentlich älter als man sich bisher vorstellen konnte, wahrscheinlich genauso alt wie die höheren Tiere selbst. Und zweitens wissen wir nun, dass sich diese besondere Struktur in Anpassung an das Leben in den Meeren des Präkambriums entwickelt hat.? Das Präkambrium ist das Zeitalter von der Entstehung der Erde vor etwa 4,6 Milliarden Jahren bis zum Beginn des Kambriums vor etwa 540 Millionen Jahren.
Bisher hatte man angenommen, dass sich die Pilzkörper von wirbellosen Tieren und das Großhirn der Wirbeltiere unabhängig voneinander entwickelt haben. ?Die Evolutionsgeschichte unseres Großhirns muss neu geschrieben werden?, fasst Arendt zusammen.