Ob der molekulare Schalter nun ein- oder ausgeschaltet ist, wird von sogenannten Kinasen kontrolliert. Die rund 500 bekannten Kinasen können die Phosphorylierung von rund 30 Prozent aller Proteine einer Zelle einleiten. Diese komplexen zellulären Prozesse sind zudem in die Krebsentstehung involviert, weshalb ihre Untersuchung von großer wissenschaftlicher Bedeutung ist.
Bisher standen Wissenschaftlern allerdings nur sehr grobe Methoden zur Untersuchung des komplexen Kinasen-Netzwerks zur Verfügung. Dank der sogenannten “Engineered Allosteric Regulation” von Klaus Hahn und seinen Kollegen können sie in Zukunft jedoch gezielt auf einzelne Kinasen zugreifen. Die Forscher hefteten ein künstlich hergestelltes Molekül an die Kinase, das das Enzym zum Vibrieren brachte. Derart gestört konnte es seine Aufgabe nicht mehr ausführen ?vergleichbar einem Auto, das bei angezogener Handbremse nicht losfahren kann. Durch Zugabe eines Wirkstoffs entspannte sich die Kinase jedoch wieder ? die Handbremse war gelöst und das Enzym konnte seine Funktion wieder erfüllen.
Durch diese Methode ist es möglich, genauestens zu verfolgen, welche Konsequenzen das Ausschalten einer bestimmten Kinase für die Funktion der Zelle hat. Nach Ansicht der Wissenschaftler ergibt sich damit eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten für das von ihnen entwickelte Verfahren. “Die Fähigkeit, die Kinasefunktion präzise kontrollieren zu können, öffnet die Tür für ein breites Spektrum neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse”, freut sich Hahn. Die Aufklärung von zellulären Signalübertragungswegen, die im Zusammenhang mit Krebs und vielen anderen Erkrankungen stehen, würde durch die neue Technologie nicht nur signifikant vereinfacht. Vielmehr würden auch die langwierigen und kostenintensiven Methoden, die bisher verwendet wurden, der Vergangenheit angehören.