Die Analyse von Konflikten in einer Affenhorde bringt es an den Tag: Die Entscheidung zu einem offenen Kampf beruht auf der Erinnerung an zurückliegende Handlungen des anderen Individuums. Das haben US-Forscher bei der Langzeitbeobachtung von 84 Makaken herausgefunden. Sie setzten die Datenbasis aus Anzahl der Kämpfe und Länge der Aggressionen über schlaue Computerrechenmodelle in Verbindung mit der Sozialstruktur. Dabei stellte sich heraus, dass intensive Konflikte mit langen Kaskaden von Streitereien erst durch ein kompliziertes Zusammenwirken von mindestens drei Affen ausbrechen. Die Strategien der Tiere könnten helfen, die Ausmaße von kriegerischen Konflikten auch unter Menschen vorherzusagen.
Über 20 Wochen hinweg wurde die Gruppe von Südlichen Schweinsaffen (Macaca nemestrina) im Primatenforschungszentrum in Lawrenceville in Georgia beobachtet. Dabei registrierten die Wissenschaftler um Jessica Flack vom Santa Fe Institute in dem Freigehege 1.096 Kämpfe, die zusammen 158 Stunden dauerten. Notiert wurde ebenso, welche Affen in die Handgreiflichkeiten verstrickt waren und wer wen lauste ? eine positive Geste unter Affen. Nach der bisher verwendeten Spieltheorie geht es bei Konflikten um schnelle und kurzfristige Gewinne, im Fall von Tieren um Nahrung oder Paarung. Statt die Ursachen von Streitigkeiten in der Schweinsaffen-Familie wie üblich mit der Spieltheorie zu erklären, untersuchten die Wissenschaftler ausschließlich ihre trockenen Daten. Um Zusammenhänge in solchen Massendaten aufzudecken, eignet sich die Monte-Carlo-Simulation: In der Finanzwirtschaft erprobt, bedient sich diese der Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik, um komplexe Probleme zu lösen, die schwierig zu analysieren sind.
Typisch für die Raufereien ist, dass sie stattfinden, wenn eine Gruppe von drei oder mehr Affen fehlt oder anwesend ist, womit für die Forscher die soziale Gruppendynamik für Konflikte ausschlaggebend ist. Die einzelnen Tiere oder Untergruppen entschieden sich, in einen Streit einzugreifen, je nach dem, wer in einen vorausgehenden Streit involviert war. Tatsächlich reagieren Affen stark auf Veränderungen in der Herde, die eine Rangordnung in Frage stellen oder neue Allianzen möglich machen. Die Berechnungen ergaben, dass Individuen ihre Teilnahme an einem Kampf nicht von einem aktuellen Streits um Ressourcen abhängig machen: Sie handeln in dem Wissen um zurückliegende Konflikte. Richtig ins Gehege kommen sich die Affen auch nicht, weil ein aggressives Individuum Streit vom Zaun bricht: Nur die in Konstellation mit mehreren Parteien führt zu ganzen Kaskaden von Konfliktfällen, die durch heftige Kämpfe charakterisiert sind. Handgreiflichkeiten sind also Teil einer Strategie, einen besseren Status in der Gruppe und damit auch Zugang zu Nahrung und Partnern zur Paarung zu bekommen, schreiben die Wissenschaftler.
Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass ihre Inductive Game Theory und ihre Computeralgorithmen auch in der Kriegsforschung helfen können. Hier wird versucht, auf Basis vorhergehender Kriege zwischen Menschengruppen langfristige Strategien zu ermitteln. Daraus lassen sich dann Ereignisse in den Beziehungen der verfeindeten Parteien vorhersagen.
Jessica Flack (Santa Fe Institute) et al.: PLoS Computational Biology, doi: 10.1371/journal.pcbi.1000762 ddp/wissenschaft.de ? Rochus Rademacher