Wenn die frischgeschlüpften Jungen der unechten Karettschildkröte von ihrem Nest am Strand zum Meer laufen, nutzen sie einen Trick, um sich nicht durch den lockeren Sand kämpfen zu müssen: Sie setzen ihre flossenartigen Beine so auf, dass sich bei jedem Schritt eine feste Sandschicht unter ihren Gliedmaßen bildet. Das ermöglicht ihnen ein ebenso rasches Vorwärtskommen wie auf festem Grund. Zu diesem Schluss sind US-Forscher gekommen, als sie die Fortbewegungstechnik der Meeresschildkröte auf Jekyll Island im Bundesstaat Georgia filmten und analysierten.
Obwohl die unechte Karettschildkröte (Caretta caretta) nur einen Bruchteil ihres Lebens an Land verbringt, bewegt sie sich wendig über Dünengras, starre Hindernisse und verschiedene sandige Untergründe. Diese Fähigkeit ist vor allem deswegen wichtig, weil die jungen Schildkröten nach dem Schlüpfen selbstständig den Weg zum Meer zurücklegen müssen. Je schneller sie dabei sind, desto größer ist ihre Chance, unversehrt am Ziel anzukommen. Tatsächlich legen die zwischen 1,6 und 6,9 Zentimeter großen Tierchen an Land Distanzen von mehreren Körperlängen pro Sekunde zurück. Angepasst sind ihre Beine eigentlich jedoch an das Leben im Wasser: Über Paddelbewegungen verleihen sie ihrem Körper hydrodynamischen Schub und gelangen so vorwärts.
Um herauszubekommen, wie die kleinen Schildkröten dennoch ihre beachtliche Geschwindigkeit auf sandigem Untergrund erreichen, hatten die Wissenschaftler bereits für eine frühere Studie ein bioinspiriertes Robotermodell gebaut, das sie über Sand laufen ließen. Der Hintergrund: Sand reagiert sehr unterschiedlich auf Druck, bisweilen verhält er sich wie eine Flüssigkeit, in manchen Fällen begegnet er Druck wie ein elastischer Feststoff. Der Roboter bewegte sich damals am schnellsten, wenn seine Beine so am Körper befestigt waren, dass sie die Festigkeit des Sandes maximal ausnutzen konnten.
Für ihre neue Studie untersuchten die Wissenschaftler jetzt, wie echte junge Schildkröten über Sand laufen und ob sie sich dabei ? dem Roboter gleich ? die Festigkeit des Sandes zunutze machen. Sie ließen die Tierchen über lockeren sowie harten Sand krabbeln und filmten sie dabei. Die Forscher entdeckten, dass die Schildkröten in beiden Fällen nicht rutschten: Bei einer festen Unterlage verhinderten die Klauen das Weggleiten, bei weichem Sand waren es die geringen Schubkräfte, die die Tierchen auf den Untergrund ausübten. Sie stießen sich nämlich nur so schwach vom Boden ab, dass die Quetschgrenze ? der Punkt, ab dem sich ein plastisches Material zu verformen beginnt ? nicht überschritten wurde.
Nicole Mazouchova (Georgia Institute of Technology, Atlanta) et al.: Biology Letters, doi:10.1098/rsbl.2009.1041 ddp/wissenschaft.de ? Regula Brassel